Mitternachtsspiele: Ein erotisches Rendezvous / 100 Wünsche hast du frei (German Edition)
hatte. Und unter diesem Aspekt betrachtet, wirkten seine beruflichen Triumphe bedauernswert, ja, geradezu jämmerlich.
Der Sache mit Leatherman hatte ihn auch nicht gerade motiviert.
Er hatte Paul die kompromittierenden Fotos gezeigt, hatte dessen Wutausbruch über sich ergehen lassen und ihn dann darauf hingewiesen, welchen Schaden sein Ruf als Geschäftsmann nehmen könnte, wenn diese Bilder an die Öffentlichkeit gelangten. Es sah so aus, als wenn die Angelegenheit unter diesen Umständen schnell und ohne großes Aufsehen geregelt werden konnte. Leatherman würde nun doch auf einen Teil seines Vermögens verzichten, und er, Jack, brauchte nicht gegen seine Überzeugung handeln, indem er Pauls Frau zu einer unfairen Scheidungsvereinbarung zwang.
Alles wunderbar.
Jack starrte auf das Empire State Building in der Ferne. Auch er würde es hier nicht mehr lange aushalten. Nicht, nachdem er Alicia Leatherman genauer ins Gesicht geblickt und in ihr weit mehr gesehen hatte als nur die Gegenpartei, die er im Gerichtssaal nach allen Regeln der Kunst übers Ohr zu hauen gedachte. Das hatte er vom selben Moment an gewusst.
Noch ein Grund, Mallory dankbar zu sein. Sie hatte ihm die Augen geöffnet.
Weder die Kanzlei noch Leatherman trugen die Schuld an Jacks Unzufriedenheit. Die Schuld lag bei ihm. Er hatte es nicht gewagt, zu seinen Gefühlen zu stehen und das allergrößte Geschenk, das ihm je jemand angeboten hatte, einfach anzunehmen.
Mallorys Liebe.
„Und?“ fragte er laut in den stillen Raum hinein. „Was gedenkst du nun zu unternehmen?“
Er sah hinunter auf seinen grandiosen Schreibtisch. Dann nahm er sich ein Blatt Papier und einen Stift. Er würde sich mit unmissverständlichen Worten wieder mit Mallory in Verbindung setzen.
Und dann konnte er nur noch hoffen.
Die Hände auf die Hüften gestützt, sah Mallory sich in dem leer stehenden Büro um, das einer von Julias Freunden, ein Versicherungsmakler, vermieten wollte. Es handelte sich um einen einzelnen Raum. Außerdem würde sie seine Sekretärin in Anspruch nehmen können. Die arbeitete bisher nur in Teilzeit, und Mallory würde nur die zusätzlich anfallenden Stunden zu bezahlen brauchen.
Das war eine weitaus günstigere Lösung, als wenn sie sich ein wirklich eigenes Büro mieten und eine eigene Sekretärin bezahlen würde. Für diesen großen Schritt hatte sie immer noch Zeit, wenn ihre Kanzlei erst einmal erfolgreich lief.
Und dafür würde sie schon sorgen. Mallory machte immer alles ganz oder gar nicht.
Bis auf die Sache mit Jack. Das hatte sie irgendwie nicht hingekriegt.
Zwei Wochen waren vergangen, seit sie ihn hinter sich gelassen hatte. Und er hatte nichts, absolut nichts von sich hören lassen indieser Zeit. Sie hatte ja nicht ernsthaft damit gerechnet, dass er sie anrufen würde. Nur die Träumerin in ihr hatte heimlich darauf gehofft.
Manchmal dachte sie auch selbst daran, ihn anzurufen, meist mitten in der Nacht. Einfach nur, um seine Stimme wieder zu hören und herauszufinden, ob er sich nicht vielleicht doch ebenso sehr nach ihr sehnte wie sie sich nach ihm. Aber dann meldete sich immer wieder der Verstand und erinnerte sie daran, dass er bereits wusste, sie liebte ihn. Wenn er jetzt begriff, dass er das Gleiche für sie empfand, würde er sie schon zu finden wissen. Es gab nichts, was sie noch sagen oder tun konnte.
Sie verließ das alte Gebäude. Es war ein gutes Angebot, aber sie war sich noch nicht ganz sicher. Mit einem Taxi war sie bald darauf zu Hause. Sie warf ihre Tasche auf das Sofa, als sie ins Wohnzimmer kam.
„Wo warst du denn?“ Julia kam voller Ungeduld aus ihrem Zimmer.
„Ich habe mir ein paar Büros angesehen.“ Mallory ließ sich auf den nächstbesten Stuhl fallen. „Herrje, bin ich geschafft! Diese Hitze bringt mich noch um.“
„Und ich habe die Post aus dem Briefkasten geholt, als du weg warst“, erwiderte Julia und blieb wartend neben Mallory stehen.
„Und was ist so Besonderes daran?“
„Das hier.“ Sie klatschte Mallory einen Brief in den Schoß.
Es war ein elfenbeinfarbener Umschlag mit den vertrauten Insignien von Waldorf, Haynes und Partner darauf. Aber das war noch nicht alles. Unter die Absenderadresse in der oberen linken Ecke pflegte der jeweilige Anwalt seine Initialien zu kritzeln, und Julia war dieses wichtige Detail keineswegs entgangen. MallorysHerzschlag beschleunigte sich von einer Sekunde auf die andere zu einem rasenden Galopp.
„J.L. Das ist von ihm, nicht wahr?“
Weitere Kostenlose Bücher