Mitternachtsspitzen: Roman (German Edition)
ein bisschen unwohl und nahm sich fest vor, einen Arzt aufzusuchen.
Trotzdem schob sie den Termin immer wieder vor sich her, bis einen Tag vor Veronicas Party.
Bei ihrer Ankunft in Charleston wirkte Kit blass und abgespannt. Cain hatte noch Geschäftliches zu erledigen, unterdessen zog sich seine Frau in eines der Gästezimmer in Veronicas Haus zurück. Es war hell und freundlich, mit einem kleinen Balkon, der in einen ummauerten, hübsch begrünten Garten hinunterblickte. Selbst im Winter wehte der schwache Duft süßer Oliven zu ihr herauf.
Veronica schickte ihr ein Mädchen, das ihr beim Auspacken half und ein Bad einließ. Nachher lag Kit auf dem
Bett und schloss die Augen, zu erschöpft um zu grübeln. Stunden später wachte sie wieder auf und schlüpfte schlaftrunken in ihren Hausmantel. Sie band den Gürtel, schlenderte zum Fenster und zog die Vorhänge zurück.
Draußen war es schon dunkel. Demnach würde sie sich schleunigst anziehen müssen. Wie sollte sie bloß den Abend überstehen? Sie presste ihre Wange an die kühle Fensterscheibe.
Sie war schwanger. Kaum vorstellbar, aber in ihr keimte neues Leben heran. Baron Cains Kind. Ein Kind, das sie für den Rest ihres Lebens an ihn binden würde. Ein Baby, das sie sich sehnsüchtig wünschte, auch wenn damit alles noch komplizierter wurde.
Seufzend setzte sie sich vor die Frisierkommode. Als sie ihre Haarbürste suchte, fand sie bei ihren Toilettensachen den blauen Keramiktiegel. Lucy hatte ihn ebenfalls mit eingepackt. Was für eine Ironie!
Der Topf enthielt das grauweiße Pulver, das Kit von der weisen Frau bekommen hatte, um nicht schwanger zu werden. Sie hatte es einmal genommen und dann nie wieder. Schließlich hatten sie und Cain anfangs in getrennten Betten geschlafen. Und nach ihrer ersten stürmischen Liebesnacht hatte sie das Pulver nur widerwillig geschluckt. Es schmeckte scheußlich, wie fein gemahlenes Knochenmehl. Zudem hatte sie schon von mehreren Frauen aufgeschnappt, wie schwierig es für sie gewesen sei, ein Kind zu bekommen, also war sie das Risiko einer Schwangerschaft kurzerhand eingegangen. Dann hatte Sophronia den Tiegel entdeckt und Kit erklärt, dass das Pulver wirkungslos sei. Die Wunderheilerin verkaufe den ihr verhassten weißen Frauen schon seit Jahren nutzlose Verhütungsmittel. Kit strich mit dem Finger über den Deckel und sinnierte, ob das wohl stimmte.
Die Tür wurde so abrupt aufgerissen, dass sie zusammenzuckte
und den Tiegel umstieß. Sie sprang vom Hocker auf. »Kannst du nicht einmal hereinkommen, ohne gleich die Tür aus den Angeln zu reißen?«
»Ich kann es eben kaum erwarten, mein herzallerliebstes Eheweib wiederzusehen.« Cain warf seine Lederhandschuhe auf einen Stuhl, dann bemerkte er die Bescherung auf der Frisierkommode. »Was ist das da?«
»Nichts!« Sie schnappte sich ein Handtuch und versuchte das verstreute Pulver aufzuwischen.
Er trat hinter sie und legte eine Hand auf die ihre. Mit der anderen nahm er den Tiegel und inspizierte den Pulverrest. »Was ist das?«
Sie versuchte, ihre Hand wegzuziehen, aber er hielt sie fest. Cain stellte den Topf zurück. Sein eindringlicher Blick machte ihr klar, dass er auf eine Erklärung wartete. Ein Kopfschmerzmittel, lag es ihr auf der Zunge, aber sie war zu erschlagen, um großartig nach irgendwelchen Ausflüchten zu suchen. Wozu auch?
»Ich habe es von der weisen Frau bekommen. Lucy hat es versehentlich mit eingepackt. Ich … ich wollte kein Kind.« So, jetzt war es heraus.
Ein Hauch von Bitterkeit huschte über seine Züge. Er ließ ihre Hand los und drehte sich von ihr weg. »Verstehe. Vielleicht hätten wir darüber reden sollen.«
»Leider führen wir beide keine glückliche Ehe, die von Verständnis geprägt ist, nicht?«, murmelte sie mit Bedauern in der Stimme.
»Schätze mal nein.« Mit dem Rücken zu ihr, legte er sein perlgraues Jackett ab und lockerte seine Krawatte. Als er sich schließlich zu ihr umdrehte, schien sein Blick unendlich weit entrückt. »Ich bin froh, dass du das einsiehst. Zwei Menschen, die wie Hund und Katze miteinander umgehen, sind bestimmt keine guten Eltern. Ich kann mir nichts Schlimmeres vorstellen als ein ungewolltes
Kind. Das wäre eine mittelprächtige Katastrophe bei unserer Ehe, findest du nicht auch?«
Kit brach es fast das Herz. »Doch«, brachte sie mühsam hervor. »Doch, ja, du hast vollkommen Recht.«
»Wie ich erfahren habe, Mr. Cain, gehört Ihnen die neue Baumwollspinnerei bei
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