Mitternachtsspitzen: Roman (German Edition)
fast drei Stunden. Immer wieder ertönte Kits melodisches Lachen, die angeregt mit Sergio und ihren anderen Tischnachbarn plauderte. Man schmeichelte ihr, überhäufte sie mit Komplimenten. Sergio schien ihr Italienisch beibringen zu wollen. Als sie etwas Wein verschüttete, tauchte er den Zeigefinger in die Pfütze und
berührte damit ihre Lippen. Einzig Veronicas Klammergriff bewahrte Cain davor, wutschnaubend aufzuspringen.
Kit dagegen legte es regelrecht darauf an, ihn zu ärgern. Sie hatte Lucy zwar angewiesen, die Robe mit den Kristallperlen einzupacken (weil Cain diese nämlich nicht ausstehen konnte), aber nie ernsthaft vorgehabt, sie zu tragen. Eigentlich hatte sie das schlichtere jadegrüne Samtkleid anziehen wollen, doch dann hatten Cains Worte sie tief verletzt.
Ich kann mir nichts Schlimmeres vorstellen als ein ungewolltes Kind. Das wäre eine mittelprächtige Katastrophe bei unserer Ehe …
Sie hörte Cains Gelächter vom anderen Ende des Tisches und beobachtete heimlich, wie interessiert er an Veronicas Lippen hing. Nach dem Dinner zogen die Herren sich zum Rauchen und zu einem kleinen Brandy in den Salon zurück. Dann wurde getanzt.
Brandon überließ Eleanora ihrem Vater und bat Kit um den ersten Tanz. Kit betrachtete sein anziehendes, weiches Gesicht. Brandon, der sich selber als Ehrenmann bezeichnete, verkaufte sich bereitwillig an den höchsten Bieter. Erst an sie wegen Risen Glory und dann an Eleanora wegen seiner Bankkarriere. Cain würde sich nie verbiegen, auch nicht für seine heiß geliebte Spinnerei. Geheiratet hatte er sie, Kit, nur, weil er ihr endlich eins auswischen wollte.
Während Brandon mit ihr in Richtung Parkett steuerte, gewahrte sie die kreuzunglücklich dreinblickende Eleanora am Rand der Tanzfläche. Plötzlich bereute Kit ihr heftiges Flirten von vorhin. Vom Champagner leicht beschwipst, beschloss sie, für alle unglücklichen Frauen zu punkten.
»Sie haben mir gefehlt, Brandon«, hauchte sie, als die Musik begann.
»Sie mir auch, Kit. Grundgütiger, Sie sind so schön. Die Vorstellung, dass Sie mit Cain zusammen sind, bringt mich fast um.«
Sie schmiegte sich enger an ihn und flüsterte scheinheilig: »Liebster Brandon, brennen Sie heute Nacht mit mir durch. Wir lassen das alles hinter uns, Risen Glory und die Bank. Dann gibt es nur noch uns zwei. Wir haben weder Geld noch ein Zuhause, aber dafür unsere grenzenlose Liebe.«
Insgeheim amüsierte sie sich köstlich, als er sich schlagartig versteifte.
»Also wirklich, Kit, ich … ich denke, das wäre… wäre unklug.«
»Aber wieso? Haben Sie Bedenken wegen Cain? Er wird uns sicher irgendwann aufspüren, aber mit ihm werden Sie doch locker fertig, oder?«
Brandon stolperte. »Wir sollten das nicht… das heißt, ich meine, vielleicht … nicht überstürzen …«
Eigentlich hatte sie ihn nicht so leicht davonkommen lassen wollen, indes konnte sie sich vor Lachen kaum noch halten.
»Sie machen sich bloß lustig über mich«, sagte er steif.
»Geschieht Ihnen ganz recht, Brandon. Sie sind immerhin verlobt und hätten Eleanora um den ersten Tanz bitten müssen.«
Erkennbar verwirrt und betreten bemühte er sich um Fassung. »Ich versteh Sie ehrlich gesagt nicht, Kit.«
»Weil Sie mich nicht besonders mögen und noch weniger von mir halten. Geben Sie doch offen zu, dass Sie nichts weiter für mich empfinden als schnödes Begehren. Von wegen Gentleman und so!«
»Kit!« So viel ungeschminkte Ehrlichkeit konnte er nicht verkraften. »Ich bitte vielmals um Verzeihung, sollte ich Ihnen zu nahe getreten sein«, murmelte er angespannt.
Seine Augen verfingen sich in Kits betörend glitzerndem Dekolleté. Widerstrebend riss er sich davon los und machte sich sichtlich brüskiert auf die Suche nach seiner Verlobten.
Kaum war Brandon fort, forderte Sergio Kit zum Tanzen auf. Derweil sie seine Hand fasste, schoss ihr Blick in die Nische, wo Cain noch Augenblicke zuvor mit Veronica gestanden hatte. Jetzt war Veronica allein.
Die Gleichgültigkeit ihres Ehemannes trieb Kit bis an die Grenze dessen, was man gerade noch schicklich nennen konnte. Sie wirbelte von einem Tanzpartner zum nächsten, tanzte mit Rebellen und Yankees, scherzte und schäkerte und schmiegte sich ein ums andere Mal ungehörig eng an starke Männerschultern. Kümmerte sie doch nicht, was die anderen von ihr dachten! Sollten sie sich ruhig die Mäuler zerreißen! Sie schlürfte Champagner, ließ keinen Tanz aus und faszinierte mit ihrer ansteckenden
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