Mitternachtsspitzen: Roman (German Edition)
das den Verlust von Risen Glory bedeutete. Aber die Wochen und Monate verstrichen, und die Felder der Plantage standen in voller Blüte. Karrenweise war die Rohbaumwolle zu Cains neuer Spinnerei gefahren worden. Trotz seiner Verlobung mit Eleanora, die ihm die Genossenschaftsbank sicherte, vermochte Brandon ein blitzendes lavendelblaues Augenpaar nicht aus seinem Gedächtnis zu tilgen. Und heute Abend hatte sie doch tatsächlich die Frechheit besessen, sich über ihn lustig zu machen.
Sein gesamtes Leben war verpfuscht. Er war ein Parsell und hatte nichts, sie dagegen hatten alles – ein dahergelaufener Yankee und eine Frau, die auf Tradition und Tugend pfiff und sich nicht zu benehmen wusste.
Impulsiv trat er vor. »Mit den Südstaatenfrauen haben Sie sicher nicht Unrecht. Ich hab selber gesehen, wie Mrs. Cain aus fünfundsiebzig Metern Entfernung einen Pinienzapfen vom Baum schoss. Da war sie höchstens zehn oder elf Jahre alt. Es heißt noch immer, dass sie die beste Schützin in der ganzen Gegend ist.«
Etliche applaudierten, und Kit stand einmal mehr im Mittelpunkt männlicher Bewunderung. Aber Parsell war noch nicht fertig. Für einen Gentleman war es gewiss kein Leichtes, einer Frau eins auszuwischen, aber genau das schwebte ihm vor. Und ihr Ehemann sollte ebenfalls sein Fett abbekommen. Cain würde Brandons Vorschlag unmöglich ablehnen können, zumal der Yankee sonst wie ein Feigling dastünde.
Brandon nestelte an seinem Jackenrevers. »Major Cain soll ja wohl ein ausgezeichneter Schütze sein. Wer kennt
ihn auch nicht, den viel gerühmten Helden vom Missionary Ridge! Aber wenn ich wetten müsste, würde ich auf Mrs. Cain setzen. Ich habe eine Idee. Will Bonnett organisiert einen Satz Pistolen. Dann stellen wir eine Reihe Flaschen auf Mrs. Gambles Gartenmauer und sehen, wie gut ein Yankee-Offizier gegen eine Südstaatlerin abschneidet. Auch wenn die Dame zufällig seine Angetraute ist.« Er hob bedauernd die Schultern. »Aber zweifellos erlaubt Major Cain seiner Frau nicht, an einem solchen Wettschießen teilzunehmen. Zumal er gute Chancen hat zu verlieren.«
Die Südstaatler grölten vor Lachen. Parsell hatte einem Yankee Paroli geboten! Obwohl keiner von ihnen ernsthaft überzeugt war, dass eine Frau besser mit der Waffe umzugehen wusste als ein Mann, freuten sie sich auf das Schauspiel. Und sollte der Yankee sie schlagen, wäre es auch kein herber Ehrverlust für den Süden. Immerhin war sie ja nur eine Frau.
Die weiblichen Gäste waren schockiert über Brandons Vorschlag. Was dachte er sich eigentlich dabei? Keine Dame tat so etwas, nicht hier in Charleston. Falls Mrs. Cain da mitmachte, war sie gesellschaftlich erledigt. Sie funkelten ihre Ehemänner an, die die Idee johlend unterstützten, und nahmen sich vor, deren Alkoholkonsum im weiteren Verlauf des Abends drastischer zu kontrollieren.
Die Nordstaatler unter den Gästen drängten Cain, die Herausforderung anzunehmen. »Nun kommen Sie schon, Major. Lassen Sie uns nicht hängen.«
»Sie können jetzt nicht kneifen!«
Kit spürte förmlich, wie Cains Augen sich durch den Stoff ihres Kleides brannten. »Ich kann nicht billigen, dass meine Gattin sich an einem öffentlichen Wettschießen beteiligt.«
Das sagte er so beiläufig, als wäre es ihm völlig gleichgültig.
Er hätte ebenso gut von einem seiner Pferde sprechen können. Sie war lediglich ein Stück Besitz für ihn.
Und Cain gab seinen Besitz her, bevor er ihm ans Herz wuchs.
Aufgebracht rauschte sie in ihrem glitzernden Kleid nach vorn. »Die Herausforderung galt mir, Baron. Wir sind hier in South Carolina und nicht in New York. Das ist eine Sache der Ehre, auch wenn du zufällig mein Mann bist. Holen Sie die Pistolen, Mr. Bonnett. Gentlemen, ich trete gegen meinen Gatten an.« Sie warf ihm einen herausfordernden Blick zu. »Falls er ablehnt, nehme ich es mit jedem Yankee auf, der sich mit mir messen möchte.«
Die entsetzten Seufzer der Frauen gingen in dem Triumphgeheul der Männer unter. Nur Brandon stimmte nicht mit ein. Er hatte beide kompromittieren wollen, aber er hatte nicht beabsichtigt, Kits Ruf zu ruinieren. Schließlich war er immer noch ein Gentleman.
»Kit – Major Cain . . . ich … ich glaube, ich war etwas vorschnell. Besser, wir vergessen . . .«
»Halten Sie den Mund, Parsell«, knurrte Cain, inzwischen genauso entschlossen wie seine Frau. Er war es leid, ständig zum Sündenbock gestempelt oder von ihr brüskiert zu werden. Er hatte ihr Misstrauen satt,
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