Mitternachtsspitzen: Roman (German Edition)
Schleier heben.
»Eine geheimnisvolle Lady«, mokierte er sich leise, »betritt feindliches Gebiet ohne die Frau Mama als Anstandsdame. Kein weiser Entschluss.«
»Ich verhalte mich längst nicht immer weise.«
Cain grinste. »Ich auch nicht.«
Sein Blick glitt von dem kecken Hütchen zu dem dunkel glänzenden Lockendutt in ihrem Nacken. Wie sah das Haar wohl aus, wenn es offen über nackte, weiße Schultern fiel? Seine plötzliche Erregung sagte ihm, dass er zu lange keine Frau mehr gehabt hatte. Aber selbst wenn er
in der Nacht zuvor ein Dutzend vernascht hätte, hätte diese Fremde ihn gereizt.
»Muss ich etwa mit einem eifersüchtigen Ehemann rechnen, der mir gleich das Haus einrennt, weil er seine abtrünnige Gattin sucht?«
»Ich bin nicht verheiratet.«
»Nein?« Unvermittelt nahm er sich vor, ihrem Selbstbewusstsein einen Dämpfer zu verpassen. »Sind Sie deshalb hier? Gibt es nach dem Krieg zu wenig passende Südstaaten-Gentlemen, so dass die hiesigen Damen notgedrungen auf den lasterhaften Yankee zurückgreifen müssen?«
Sie wirbelte herum. Durch den Schleier gewahrte er wutblitzende Augen und zwei schmale, bebende Nasenflügel.
»Ich versichere Ihnen, Major Cain, ich bin nicht hier, um mir einen Ehemann zu angeln. Bilden Sie sich bloß nicht zu viel ein.«
»Tu ich das denn?« Er trat zu ihr. Seine Knie streiften ihren Rock.
Kit blieb widerstrebend stehen, obwohl sie am liebsten Reißaus genommen hätte. Er war ein Jäger, und wie alle Beutejäger weidete er sich an der Furcht seiner Opfer. Selbst die kleinste Bewegung wäre für ihn ein Triumph, und den wollte sie ihm weiß Gott nicht gönnen. Andererseits wurde ihr ein wenig schwindlig in seiner Nähe. Und das Gefühl war nicht einmal unangenehm.
»Dann klären Sie mich doch bitte auf, geheimnisvolle Lady, wieso eine ehrbare junge Frau einen Mann wie mich besucht?«, sagte er spöttisch rau, seine grauen Augen von einem teuflischen Glanz, dass ihr das Blut glutheiß durch die Venen schoss. »Kann es sein, dass die ehrbare junge Dame womöglich gar nicht so ehrbar ist, wie sie tut?«
Kit reckte trotzig das Kinn und hielt seinem Blick stand. »Ihre Moralvorstellungen tun hier nichts zur Sache!«
Die Provokation in ihrer Äußerung traf einen empfindlichen Nerv bei ihm. Waren die Augen hinter diesem Schleier tatsächlich von einem ganz ungewöhnlichen Blau? Alles an dieser Frau faszinierte ihn. Sie war kein kokettes, kleines Ding oder eine hochgezüchtete Orchidee. Nein, sie erinnerte ihn eher an eine Wildrose mit scharfen Dornen, die zustach, wenn man ihr zu nahe trat.
Und wenn er sich nun durch das Dornendickicht vorkämpfte und diese wilde Rose pflückte?
Noch ehe er sich bewegte, schwante Kit, was er vorhatte. Sie wollte fliehen, aber ihre Beine gehorchten ihr nicht. Während sie sein markantes Gesicht fixierte, versuchte sie sich einzureden, dass dieser Mann ihr Todfeind wäre. Er kontrollierte alles, was ihr lieb und wert war: ihre Plantage, ihre Zukunft, ihre Unabhängigkeit. Mittlerweile jedoch schwirrte ihr der Kopf, und sie blendete sämtliche Vernunfterwägungen aus.
Langsam hob Cain seine narbige Hand und umschloss ihren Nacken. Die Berührung war erstaunlich sanft und aufregend sinnlich. Sie hätte sich dem entziehen müssen, aber ihr Verstand setzte spontan aus.
Sein Daumen glitt zu ihrer Kinnpartie und unter den Rand des duftigen Schleiers. Streifte ihr Ohrläppchen. Als er die seidenzarte Haut streichelte, erschauerte sie unwillkürlich.
Er schob ihr zwei widerspenstige Löckchen hinter die Ohren. Dabei bauschte sein Atem den Rand ihres Schleiers. Sie konnte sich nicht dagegen wehren, war wie paralysiert. Langsam senkten sich seine Lippen auf die ihren.
Sein Kuss war zärtlich und einfühlsam, ganz anders als die widerliche Sabberattacke von Hamilton Woodwards Geschäftsfreund. Unbewusst tasteten sich ihre Hände über
Cains Hemd. Spürten die Muskulatur unter der warm pulsierenden Haut. Kit war berauscht von der Sinnlichkeit des Augenblicks.
Mit lasziv geöffneten Lippen streichelte er über ihren rosigen Schmollmund. Seine Hand glitt zu ihrer schmalen Taille, zog Kit in seine Umarmung.
Indem schmiegte sich ihr Busen an seine Brust, ihr flacher Bauch an seine Hüften, und ihr schwindelte. Seine feuchte Zungenspitze schob sich begehrlich zwischen ihre Lippen.
Die schockierende Intimität erregte sie. Glutheißes Verlangen durchströmte jede Faser ihres Körpers.
Cain ging es nicht anders.
Sie vergaßen Raum und
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