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Mitternachtsspitzen: Roman (German Edition)

Mitternachtsspitzen: Roman (German Edition)

Titel: Mitternachtsspitzen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Elizabeth Phillips
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Wangen rollten Tränen, die sie mit einem fadenscheinigen, babyblauen Taschentuch abzutupfen versuchte.
    Im Nu war Kit bei ihr. »Aber Miss Dolly! Was haben Sie denn?«
    Die ältere Dame reagierte nicht. Kit kniete sich vor den Schaukelstuhl. »Miss Dolly?«
    »Hallo, meine Liebe«, sagte diese matt. »Ich hab Sie gar nicht kommen hören.«
    »Sie haben geweint.« Kit fasste die knochigen Hände ihrer Begleiterin. »Erzählen Sie mir doch, was los ist, ja?«
    »Nichts. Es ist wirklich nichts. Nur dumme Erinnerungen. Wie wir als Kinder Lumpenpuppen gebastelt haben. Und wie ich mit meinen Schwestern unter den Weinreben spielte. Im Alter wird man eben sentimental.«
    »Sie sind nicht alt, Miss Dolly. Schauen Sie sich doch an, in Ihrem hübschen weißen Kleid! Sie wirken frisch wie ein Frühlingstag.«
    »Ich versuche mein Bestes.« Miss Dolly nickte. Sie straffte sich in dem Schaukelstuhl und betupfte ihre feuchten Wangen. »Nur manchmal, so wie heute, fallen mir Dinge ein, die vor langer Zeit passiert sind, und das macht mich traurig.«
    »Was zum Beispiel?«
    Miss Dolly tätschelte Kits Hand. »Nein, nein Kindchen. Ich fasele doch nur unsinniges Zeug.«
    »Tun Sie nicht«, versicherte Kit, obwohl es kaum Stunden her war, dass Miss Dolly sie mit ihrem Gerede auf die Palme gebracht hatte.
    »Sie haben ein gutes Herz, Katharine Louise. Das hab ich gleich gemerkt. Ich war so glücklich, als ich Sie zurück nach South Carolina begleiten durfte. Im Norden hat es mir nämlich nie gefallen. Dort reden alle so laut. Ich kann die Yankees auf den Tod nicht ausstehen, Katharine.« Sie nickte so heftig, dass die Bänder von ihrem Kopfputz wippten.
    »Sie sind nervös wegen Major Cain, stimmt’s?« Kit streichelte über Miss Dollys Handrücken. »Ich hätte Sie nicht herbringen dürfen. Das war egoistisch von mir.«
    »Aber nein. Sie haben sich absolut nichts vorzuwerfen.«
    »Ich zwinge Sie nicht dazu, bei mir zu bleiben, wenn es Ihnen hier nicht gefällt, Miss Dolly.«
    Die Augen der älteren Dame weiteten sich vor Schreck. »Aber wo soll ich denn sonst hin!« Sie schälte sich aus dem Schaukelstuhl und begann erneut zu weinen. »Ich bin eine alte Närrin … das ist alles. Ich … ich mach mich eben ein bisschen frisch und dann gehen wir hinunter zum Essen. Eine Minute noch.«
    Kit erhob sich und umarmte die schmächtige Frau. »Beruhigen Sie sich, Miss Dolly. Ich schick Sie nicht fort. Nicht solange Sie bei mir bleiben wollen. Versprochen.«
    Hoffnung flackerte in den tränenfeuchten Augen auf. »Und Sie schicken mich auch wirklich nicht weg?«
    »Niemals.« Kit zupfte die gebauschten weißen Ärmel von Miss Dollys Kleid zurecht und hauchte einen Kuss auf ihre gepuderte Wange. »Machen Sie sich hübsch für das Abendessen.«
    Miss Dolly spähte hektisch in den Gang, der vor ihrem Zimmer verlief. »Also… also gut, Schätzchen.«
    »Bitte haben Sie keine Bedenken wegen Major Cain.« Kit lächelte zuversichtlich. »Tun Sie einfach so, als hätten Sie General Lee vor sich.«
    Nach zehn Minuten Schönheitspflege war Miss Dolly endlich so weit. Kit war heilfroh, dass ihre Anstandsdame wieder recht gefasst wirkte. Als sie die Treppe hinuntergingen, war Miss Dolly wieder in ihrem Element. »Warten Sie mal kurz, meine Liebe. Der Überrock von Ihrem bezaubernden Kleid sitzt nicht richtig.« Zungenschnalzend nestelte sie daran herum. »Ich wünschte mir so, Sie würden ein bisschen mehr Wert auf Ihr Äußeres legen. Ich möchte Sie wirklich nicht kritisieren, aber Sie sehen beileibe nicht immer so adrett aus, wie man das von einer jungen Dame erwarten darf.«
    »Sie haben Recht, Ma’am.« Mit stoischer Gelassenheit ließ Kit die Standpauke über sich ergehen. Währenddessen reifte in ihr der Entschluss, Baron Cain mit bloßen Händen zu erwürgen, sollte er die arme Miss Dolly beim Diner brüskieren.
    In diesem Moment trat er aus der Bibliothek. Lässig in schwarzer Hose und weißem Oberhemd, sein Haar war noch feucht vom Baden. Er hatte sich nicht einmal umgezogen, dieser Banause, stellte Kit fest, obwohl er wusste, dass Damen bei Tisch waren.
    Als er den Kopf hob und die beiden Frauen bemerkte, trat ein kaum merkliches Flackern in seinen Blick.
    Kits Herzschlag beschleunigte sich, zumal sie schlagartig wieder an diesen verrückten Kuss denken musste. Sie atmete tief durch. Der Abend würde bestimmt nicht einfach werden. Am besten, sie verdrängte das Ganze und konzentrierte sich auf das Wesentliche. Cains plötzliches Auftauchen

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