Mitternachtsspitzen: Roman (German Edition)
Sattelknauf und lächelte. »Ich lüge nicht. Das waren reine Fakten.«
»Reden kann jeder, Katharine Louise. Ich möchte mir selber ein Bild machen, ob du das Pferd im Griff hast.«
Bevor sie reagieren konnte, spornte er Vandal an. Der Hengst verfiel von einem leichten Trab in einen geschmeidigen Galopp.
Er ritt gut für seine hünenhafte Größe, entspannt und locker, als wäre er im Sattel geboren. Er ritt sogar ausgezeichnet, seufzte sie im Stillen. Wieder ein Minuspunkt in der Liste seiner Verfehlungen.
Kit beugte sich über Temptations schlanken, schwarzen Nacken. »Also gut, Junge. Wir zeigen es ihm.«
Temptation ließ nichts zu wünschen übrig. Zunächst hielt sie sich hinter Vandal, als ihr Reittier jedoch schnaubend vorpreschte, lockerte sie die Zügel. Im fliehenden Galopp lenkte sie den Hengst an den Pflanzungen vorbei und auf offenes Gelände. Sie spürte seine unbändige Kraft, während die Landschaft rechts und links von ihr vorüberraste. Es gab kein Gestern oder Morgen, keinen skrupellosen Yankee mit stahlglänzenden Augen, keinen unerklärlichen Kuss. Sie und das prachtvolle Tier waren zu einer Einheit verschmolzen.
Vor ihr ragte eine niedrige Hecke auf. Mit leichtem Druck ihrer Knie lenkte sie den Hengst darauf zu. Indem sie näher donnerten, beugte sie den Kopf dicht über den Pferdehals, ihre Knie an seine Flanken geschmiegt. Mühelos setzte Temptation über das Hindernis hinweg.
Gleichsam widerwillig verlangsamte sie und kehrte um. Wenn sie zu schnell ritt, würde Cain ihr Waghalsigkeit vorwerfen und ihr Temptation womöglich wieder wegnehmen. Und den Gefallen wollte sie ihm nicht tun.
Er wartete am Ende der Weide auf sie. Sie ritt neben ihn und wischte sich mit dem Ärmel die schweißfeuchte Stirn.
Sein Sattel knackte leise, als er sich zu ihr umdrehte. »Nicht übel.«
Schweigend wartete sie auf seine Strafpredigt.
»Bist du in New York überhaupt geritten?«
»Ich würde es nicht Reiten nennen.«
Leicht an den Zügeln zerrend, lenkte er Vandal zum Stall. »Dann hast du morgen mit Sicherheit einen ordentlichen Muskelkater.«
War das alles, was er dazu zu sagen hatte? Sie presste die Fersen sanft in Temptations Flanken und folgte Cain. »Und?«
»Was und?«
»Kann ich Temptation nun reiten oder nicht?«
»Von mir aus. Solange du keinen Damensattel auflegst.«
Verschmitzt lächelnd widerstand sie der lockenden Versuchung, noch eine schnelle Runde mit Temptation zu drehen.
Sie war vor Cain im Hof und saß ab, während Samuel das Pferd festhielt. »Leg ihm eine Decke über«, erklärte sie dem Jungen. »Er muss ausruhen. Ich hab ihn ziemlich hart rangenommen.«
Cain schnappte ihre Anweisungen auf. »Als Stalljunge ist Samuel fast so gut wie du früher, Kit.« Grinsend sprang er von Vandal. »Wenn er auch in Reithosen nicht halb so gut aussieht.«
Sophronia hatte es Magnus Owen nie verziehen, dass er sich zwischen sie und Baron Cain gestellt hatte. Jetzt sprang die Tür zum hinteren Salon auf, den sie als Büro benutzte.
»Du wolltest mich sprechen«, sagte er. »Ist irgendwas?«
Seitdem er Aufseher auf Risen Glory war, hatte er sich äußerlich verändert. Inzwischen muskelbepackt und gestählt,
mit einem hellbraunen Hemd und dunkler Reithose bekleidet, betrat er elanvoll den Raum. Seine Züge waren immer noch weich und anziehend, wenn sie auch in Sophronias Gegenwart kaum merklich verhärteten.
»Nein, nein, es ist nichts, Magnus«, erwiderte Sophronia betont herablassend. »Soweit ich informiert bin, willst du heute Nachmittag in die Stadt. Ich möchte, dass du dort ein paar Sachen für mich abholst.« Statt vom Schreibtisch aufzustehen, hielt sie ihm die Liste hin, worauf er sich zu ihr hinbequemen musste.
»Du rufst mich vom Feld, damit ich den Laufburschen für dich mache?« Er riss ihr die Liste aus der Hand. »Wieso schickst du nicht einfach Jim?«
»Hab nicht dran gedacht«, erwiderte sie mit der perversen Genugtuung, dass der ansonsten ausgeglichene Magnus auf ihre Provokation ansprang. »Außerdem putzt Jim gerade die Fenster.«
Magnus presste die Kiefer aufeinander. »Und Fensterputzen ist wichtiger als die Baumwolle, die diese Plantage ernährt, ja?«
»Tsts. Bildest du dir nicht ein bisschen viel ein, Magnus Owen?« Sie stand auf. »Meinst du, die Plantage bricht zusammen, wenn du mal ein paar Minuten weg bist?«
Eine winzige Ader an seiner Schläfe trat bläulich pulsierend hervor. Er stemmte die von der Arbeit rauen Hände in die Hüften. »Du hast
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