Mitternachtsspitzen: Roman (German Edition)
die wir nicht einmal richtig sorgen konnten. Himmel, ich will was anderes im Leben erreichen, und das schaffe ich auch. Ich möchte ein Haus und Kleider und immer genug zu essen. Das bedeutet für mich Geborgenheit !«
Er verzog abfällig die Mundwinkel. »Indem du dich in eine andere Art von Sklaverei begibst? Das nennst du Geborgenheit?«
Sophronia hielt seinem Blick stand. »Ich bin keine Sklavin, wenn ich es mit dem Chef treibe und meine Bedingungen stelle. Und du weißt sehr wohl, dass ich es geschafft hätte, aber du musstest mir ja unbedingt dazwischenfunken.«
»Damit bist du bei Cain an der falschen Adresse.«
»Irrtum. Ich hätte ihn um den Finger wickeln können, aber du hast mir alles verdorben.«
Magnus legte eine Hand auf den geschnitzten Rücken des altrosa gepolsterten Brokatsofas. »Es gibt niemanden, den ich mehr respektiere als Cain. Er hat mir das Leben gerettet, und ich würde bedenkenlos alles für ihn tun. Er ist fair und ehrlich, und das wissen seine Arbeiter. Er verlangt nichts, was er nicht auch tun würde. Wir Männer bewundern ihn deswegen. Aber was Frauen angeht, Sophronia, bleibt er hart. Ich kenne keine, bei der er jemals schwach geworden wäre.«
»Er begehrte mich, Magnus. Wärst du seinerzeit nicht hereingeplatzt, hätte ich alles von ihm haben können.«
Magnus trat zu ihr und fasste ihre Schultern. Seine Berührung war seltsam tröstlich, dennoch wich sie instinktiv zurück.
»Und dann?«, wollte der Aufseher wissen. »Hättest du den Schauder verdrängen können, der dich jedes Mal befällt, wenn ein Mann nur deinen Arm berührt? Er ist zwar reich und weiß, aber trotzdem ein Mann, das bestreitest du doch nicht, oder?«
Er stocherte gnadenlos in ihren schlimmsten Albträumen herum. Sie kehrte ihm augenblicklich den Rücken und lief tränenblind zum Schreibtisch. Als sie sich wieder gefasst hatte, sagte sie eisig: »Ich hab noch zu tun. Wenn du die Sachen nicht mitbringen kannst, schicke ich Jim in die Stadt.«
Eine Pause schloss sich an. Wider Erwarten nickte er. »Ich bring dir deine Vorräte mit.« Damit drehte er sich auf dem Absatz um und ließ sie allein.
Sophronia starrte auf die geöffnete Tür und musste sich zügeln, sonst wäre sie ihm hinterhergerannt. Allmählich verebbte der Impuls. Magnus Owen mochte es zum Plantagenaufseher gebracht haben, aber er war und blieb ein Schwarzer, der ihr weder Schutz noch Geborgenheit bot.
10
Kits Beinmuskulatur machte sich schmerzhaft bemerkbar, als sie am nächsten Morgen die Treppe hinunterstieg. Statt der Reithosen trug sie ein hübsches, blassviolettes Batistkleid, ein zarter, weißer Spitzenschal bedeckte ihre
Schultern. In der Hand schwenkte sie die lavendelfarbenen Bänder eines Strohhuts.
Miss Dolly erwartete sie schon an der Haustür. »Sie sind bezaubernd schön. Knöpfen Sie sich nur noch rasch den Handschuh zu und glätten Sie Ihre Röcke.«
»Sie sehen auch sehr hübsch aus«, sagte Kit lächelnd.
»Danke für das Kompliment, Schätzchen. Man tut, was man kann, aber in meinem Alter ist es leider nicht mehr ganz einfach. Anders als bei Ihnen. Sie sind noch so herrlich jung. In Ihrer Kirchenbank wird sich nicht ein Gentleman auf die Predigt konzentrieren können, da Sie zum Anbeißen aussehen.«
»Ich werde schon hungrig vom Hingucken«, meinte eine laszive Stimme hinter ihnen.
Kit ließ die Hutbänder los, die sie gerade zu einer Schleife knoten wollte.
Cain lehnte im Türrahmen der Bibliothek. Er trug einen perlgrauen Zweireiher mit schwarzer Hose und Weste. Dazu ein blütenweißes Oberhemd mit einer schmal gestreiften, bordeauxroten Krawatte.
Mit zusammengekniffenen Augen musterte sie seine formvollendete Aufmachung. »Wo wollen Sie denn hin?«
»In die Kirche natürlich.«
»Pah! Wir haben Sie nicht eingeladen, mit uns in die Kirche zu kommen!«
Miss Dolly schlug die Hände über dem Kopf zusammen. »Katharine Louise Weston! Ich bin entsetzt! Was denken Sie sich eigentlich, den General so grob anzufahren! Ich habe ihn gebeten, uns zu begleiten. Sie müssen ihr das nachsehen, General. Sie hat gestern zu lange im Sattel gesessen, und heute Morgen konnte sie kaum gehen. Deswegen ist sie etwas gereizt.«
»Das verstehe ich voll und ganz.« Der spöttische Glanz in seinen Augen strafte jegliches Mitgefühl Lügen.
Kit zupfte an ihren Hutbändern. »Ich bin überhaupt nicht gereizt.« Hektisch fingerte sie an den Bändern herum, bekam aber keine vernünftige Schleife zustande.
»Vielleicht binden Sie
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