Mitternachtsspitzen: Roman (German Edition)
Nerven, Sophronia, das muss ich dir lassen. Jemand sollte dir mal fest eins hintendrauf geben, bevor du noch richtig Ärger bekommst.«
»Dieser Jemand bist aber mit Sicherheit nicht du.« Mit stolz gerecktem Kopf glitt sie an ihm vorbei in die Halle.
Magnus ließ sich nicht so leicht aus der Reserve locken, aber jetzt holte er aus und packte sie am Arm. Sie japste entgeistert auf. Er schleifte sie in den Salon zurück und schlug die Tür hinter ihnen zu.
»Verzeih mir«, meinte er in dem weich schmelzenden Tonfall seiner Kindheit. »Aber ich vergesse ständig, dass Miz Sophronia was Besseres ist als der Rest von uns armen schwarzen Schluckern.«
Ihre goldgesprenkelten Augen blitzten vor Zorn über seine spitze Bemerkung. Er stemmte sie mit seinem Körper gegen die Tür.
»Lass mich los!« Die hochgewachsene Frau trommelte ihm wütend gegen die Brust, allerdings war er viel kräftiger als sie. Genauso gut hätte sie versuchen können, eine Eiche mit einem Brotmesser zu fällen.
»Magnus, lass mich sofort los!«
Mag sein, dass sie ihn einmal zu viel bis aufs Blut gereizt hatte. Statt sie freizugeben, presste er ihre Schulterblätter gegen die Tür. Die Glut seines Körpers drang durch ihr Kleid. »Miz Sophronia meint wohl, nur weil sie sich wie eine Weiße benimmt, wacht sie eines Morgens auf und ist weiß. Aber die Illusion kannst du begraben.«
Sie drehte den Kopf weg und presste die Lider zusammen, wie um seinen Zorn auszublenden, aber Magnus war noch nicht fertig mit ihr. Seine Stimme wurde sanfter, doch seine Worte blieben gleichermaßen verletzend.
»Wenn Miz Sophronia doch nur weiß wäre, dann bräuchte sie sich keine Gedanken zu machen, dass ein Schwarzer sie begehrt und Kinder mit ihr haben möchte. Ein Mann, der sie tröstet, wenn sie sich einsam fühlt, und der gemeinsam mit ihr alt werden will. Nein, dafür ist sich Miz Sophronia zu fein. Dafür ist sie viel zu weiß !«
»Hör auf!« Sophronia hielt sich die Ohren zu.
Er ließ sie los und trat zurück, doch sie blieb wie paralysiert an die Tür gepresst stehen. Die Hände fest auf ihren Ohren, schluchzte sie haltlos.
Leise seufzend nahm Magnus sie in die Arme. Er streichelte sie beruhigend und hauchte ihr ins Ohr: »Komm
schon, mein Mädchen. Es wird alles gut. Nicht weinen, bitte. Verzeih mir, ich wollte dir nicht wehtun. Ganz bestimmt nicht.«
Allmählich wich die Anspannung von ihr, und für den Herzschlag eines Augenblicks lehnte sie sich an ihn. Er war verlässlich, solide. Vermittelte Geborgenheit.
Geborgenheit? Schlagartig riss sie sich von ihm los. Die Schultern gestrafft, musterte sie ihn stolz und hochmütig, wenngleich ihre Augen in Tränen schwammen. »Du hast kein Recht, so mit mir zu reden. Du kennst mich nicht, Magnus Owen. Das meinst du nur.«
Allerdings hatte Magnus auch seinen Stolz. »Ich weiß, dass du nur Blicke hast für die reichen, weißen Männer, aber nicht für die schwarzen.«
»Was hat mir ein Schwarzer schon zu bieten?«, sagte sie heftig. »Schwarze haben keine Macht . Meine Mutter, meine Großmutter und auch deren Mutter wurden von schwarzen Männern geliebt. Aber wenn der Weiße nachts in ihre Hütte kam, konnten sie ihre Frauen nicht vor seinen Zudringlichkeiten schützen. Sie vermochten nicht ihre Kinder davor zu bewahren, in die Sklaverei verkauft zu werden. Sie konnten nur tatenlos mit ansehen, wie ihre geliebten Frauen nackt angebunden und ausgepeitscht wurden, bis das Blut aus den aufgeplatzten Striemen quoll. Erzähl du mir nichts von schwarzen Männern!«
Unschlüssig ging Magnus einen Schritt auf sie zu, als sie sich jedoch wegdrehte, wandte er sich stattdessen in Richtung des Fensters. »Die Zeiten haben sich geändert«, murmelte er leise. »Der Krieg ist vorbei. Du bist keine Sklavin mehr. Wir sind frei, haben Rechte. Wir können wählen gehen.«
»Du bist ein unverbesserlicher Idealist, Magnus. Du denkst, nur weil du das Wahlrecht hast, ändert sich irgendetwas? Nein, es ist völlig ohne Belang.«
»Ist es nicht. Du bist amerikanische Staatsbürgerin. Und geschützt durch die Gesetze dieses Landes.«
»Geschützt!« Verächtlich warf Sophronia den Kopf zurück. »Eine Schwarze genießt keinen Schutz. Sie muss für sich selber sorgen.«
»Indem sie ihren Körper an jeden dahergelaufenen Weißen verkauft? Meinst du das?«
Sie funkelte ihn wütend an. »Dann empfiehl mir doch mal was Besseres! Die Männer haben uns jahrhundertelang nur ausgenutzt und uns einen Haufen Kinder angedreht, für
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