Mitternachtsspitzen: Roman (German Edition)
Arm. »Hör endlich auf, so verbohrt zu sein, und benutz deinen Kopf! Brandon ist ein Schwächling. Er macht dich nicht glücklich. Er trauert der Vergangenheit nach, weil er mit den neuen Gegebenheiten nicht klarkommt. Er kennt nur eins, nämlich eine Plantage mit Sklavenarbeit zu bewirtschaften. Das ist vorbei. Wir schreiben eine neue Zeit, Kit.«
Im Großen und Ganzen hatte Cain Recht, aber das hätte sie ihm nie auf die Nase gebunden. Außerdem wusste
er nicht um den wahren Grund, warum sie Brandon heiraten wollte. »Er ist ein guter Mensch, und ich wäre stolz darauf, seine Frau zu werden.«
Cain musterte sie von oben herab. »Meinst du, du hättest bei ihm Herzklopfen wie bei mir? Als ich dich am Weiher umarmt habe?«
Nein, bei Brandon hätte sie vermutlich nicht einmal eine klitzekleine Gänsehaut, aber das war auch gut so. Was sie mit Cain gemacht hatte, war im höchsten Maße unschicklich. »Ich hatte Herzklopfen vor Angst, ganz einfach.«
Er wandte den Blick ab. Nahm einen Schluck Brandy. »Unser Gespräch führt zu nichts.«
»Geben Sie Ihr Einverständnis, und dann sind Sie mich los.«
Er hob sein Glas und stürzte den Rest in einem Zug hinunter. »Ich schick dich zurück nach New York. Du fährst am Samstag.«
»Wie bitte?«
Ihre fassungslose Miene signalisierte ihm, dass er ihr quasi den Todesstoß versetzt hatte.
Wieso war eine hochintelligente Frau wie sie dermaßen verbohrt? Zweifellos hörte sie ihm gar nicht mehr zu. Ganz egal, was er ins Feld führte, um sie wachzurütteln. Mit einem leise gezischten Fluch verließ er den kleinen Salon und lief nach unten.
Dort saß er eine ganze Weile brütend in der Bibliothek. Seine Wangenmuskulatur zuckte. Verdammt heikle Sache, dass diese Kit Weston ihm dermaßen unter die Haut ging. Sein Leben lang hatte er beobachtet, wie Männer sich wegen irgendwelcher Frauen zum Affen machten, und jetzt stand er selber in dieser Gefahr.
Ihre aufreizende Schönheit und Sinnlichkeit erregten ihn. Sie hatte etwas Liebenswertes und Verletzliches an
sich, was ungeahnte Beschützerinstinkte in ihm hervorrief. Er wollte mit ihr lachen, nicht sie ständig angiften, Kit lieben, bis ihr Gesicht vor Glück glühte – und das nur für ihn allein.
Cain lehnte den Kopf zurück. Er hatte ihr zwar angedroht, sie nach New York zurückzuschicken, aber das brächte er niemals übers Herz. Morgen würde er es ihr sagen. Und dann wollte er einen Neuanfang wagen, mit ihr. Einmal im Leben seinen bitteren Zynismus über Bord werfen und einer Frau den Hof machen.
Eigenartig, aber bei der Vorstellung fühlte er sich plötzlich jungenhaft glücklich.
Es schlug Mitternacht, als Kit hörte, wie Cain sein Zimmer betrat. Am Samstag würde sie Risen Glory verlassen müssen. Ein unerwartet vernichtender Schlag, den sie nur schwerlich verkraftete. Die Würfel waren gefallen. Er hatte gewonnen. Hatte sie schließlich doch noch übertrumpft.
Wut über ihre Hilflosigkeit überlagerte den Kummer. Sie wollte es ihm ordentlich heimzahlen. Wollte irgendetwas zerstören, was ihm wichtig war, zumal er ihren Lebenstraum wie eine Seifenblase hatte platzen lassen.
Jedoch fiel ihr nichts ein, woran Cains Herz hing. Er interessierte sich ja noch nicht einmal besonders für ihr geliebtes Risen Glory! Die Verwaltung der Plantage hatte er kurzerhand Magnus übertragen, während er an der Spinnerei weiterbaute.
Die Spinnerei … Sie hielt an mitten in ihrem hektischen Hin und Her. Aber natürlich! Die Spinnerei war ihm wichtig! Sie gehörte ihm komplett, war mit seinem Geld finanziert.
Eine boshafte, beleidigte kleine Stimme in ihrem Kopf wisperte ihr zu, was sie tun könnte. Es war ganz einfach. Perfekt. Und absolut skrupellos.
Aber nicht skrupelloser als das, was er ihr angetan hatte.
Sie nahm die Schuhe, die sie eine Weile zuvor wütend unters Bett getreten hatte, und stahl sich barfuß aus dem Zimmer. Geräuschlos glitt sie über Flure und Treppen und durch den Dienstboteneingang hinaus ins Freie.
Die sternenhelle Nacht leuchtete ihr den Weg. Sie trat in die Schuhe und ging durch den weitläufigen Obstgarten in Richtung Nebengebäude.
Im Lagerschuppen war es stockfinster. Sie griff in die Rocktasche und holte den Kerzenstumpf und die Zündhölzer heraus. Die hatte sie in der Küche mitgehen lassen. In dem flackernden Lichtschein entdeckte sie auf Anhieb, was sie suchte.
Die Kerosinkanne war zwar nur noch halbvoll, aber trotzdem ziemlich schwer. Ein Pferd zu satteln wäre zu auffällig
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