Mitternachtsspitzen: Roman (German Edition)
belustigt. »Hast du etwa auf Flitterwochen spekuliert?«
»Nein, natürlich nicht. Aber findest du nicht auch, dass es ein bisschen merkwürdig aussieht, wenn du so kurz nach unserer… unserer Hochzeit abreist?«
»Seit wann interessierst du dich für das Geschwätz fremder Leute?«
»Tu ich ja gar nicht. Ich dachte nur an Miss Dolly und ihren Kuchen.« Mühsam überspielte sie ihre Verärgerung. »Fahr nach Charleston. Fahr von mir aus zur Hölle!«
Sie lief an ihm vorbei und durch die Eingangstür ins Freie. Hoffte inständig, dass er ihr folgen würde. Weil sie Streit suchte, weil sie ihm wütend an den Kopf werfen wollte, dass sie die ganze Situation unglücklich machte. Aber die Tür blieb verschlossen.
Sie stapfte zu der alten Eiche hinter dem Haus und lehnte sich vor den gewaltigen Stamm. Sie war seine Frau. Es war nicht zum Aushalten!
In den darauf folgenden Tagen verbrachte sie die meiste Zeit im Freien. Sobald es hell wurde, stieg sie in ihre Reithosen und ritt auf Temptation kreuz und quer über die Plantage – nur nicht zu der Spinnerei. Sie redete mit den Frauen über ihre Gärten, mit den Männern über die Baumwollernte. Und spazierte zwischen den endlos langen Pflanzenreihen, bis die heiße Nachmittagssonne sie in den Schatten der Bäume oder an den Teich zwang.
Indes hatte das Baden viel von seinem früheren Reiz verloren. Auch das hatte er ihr vermiest. Als sie unter den Weiden hockte, sann sie darüber nach, wie er alles mit Beschlag belegte: ihr Zuhause, ihr Vermögen und schließlich auch noch ihren Körper. Den hatte sie ihm bedauerlicherweise freiwillig dargeboten.
Bisweilen machte sie das rasend. An anderen Tagen wieder fühlte sie sich hilflos und deprimiert. Dann schwang
sie sich auf den Hengst und galoppierte, bis sie vor Erschöpfung fast aus dem Sattel glitt.
Die Tage gingen träge dahin. Kit war nie feige gewesen, aber jetzt weigerte sie sich, Besucherinnen zu empfangen, und überließ diese Aufgabe Miss Dolly. Sie war sich zwar ziemlich sicher, dass die Cogdells niemals etwas über diese unsägliche Hochzeit verlauten ließen, aber es war auch so schon schlimm genug. Nach ihrer Blitzheirat mit dem Yankee konnte sich ganz Rutherford ausrechnen, wann das freudige Ereignis ins Haus stand. Hinzu kam die Abgeschmacktheit, dass er sie am Morgen nach der Hochzeit eiskalt verlassen und sie in völliger Unkenntnis darüber gelassen hatte, wann er zurückkehrte.
Nur ein einziges Mal ließ sie einen Besucher vor. Und zwar Brandon Parsell, den Lucy ihr am frühen Samstagnachmittag ankündigte. Brandon wusste um ihre Gefühle für Cain, dann begriff er sicher auch, dass sie zu dieser Ehe genötigt worden war. Vielleicht konnte er ihr ja irgendwie aus diesem Schlamassel heraushelfen.
Kurzerhand zog sie die Reithosen aus und das Kleid an, das sie schon am Vortag getragen hatte, und hastete die Treppe hinunter. Er erhob sich höflich und begrüßte sie.
»Mrs. Cain.« Er verbeugte sich steif. »Ich bin gekommen, um Ihnen meine Glückwünsche zu überbringen, selbstverständlich auch von meiner Mutter und meinen Schwestern. Ich bin sicher, dass Sie und Major Cain sehr glücklich werden.«
Es fehlte nicht viel, und Kit wäre in einen hysterischen Lachkrampf ausgebrochen. Das sah ihm wieder einmal ähnlich! Er tat ja so, als würden sie sich kaum kennen!
»Danke, Mr. Parsell«, erwiderte sie in einem ähnlich förmlichen Ton. Angespornt von ihrem Stolz, spielte sie die Rolle, auf die man sie an der Templeton Academy vorbereitet hatte, mit Bravour. In den folgenden zwanzig
Minuten plauderte sie von den Rosen vor ihrem Haus, von dem Gesundheitszustand des Direktors der Genossenschaftsbank und der Erwägung, der Kirche ein neues Altartuch zu spenden.
Er ging artig auf jedes ihrer Themen ein, nicht ein einziges Mal erwähnte er ihre Beinahe-Verlobung. Als er sich exakt zwanzig Minuten später von Kit verabschiedete, fragte sie sich, warum sie nicht schon viel eher gemerkt hatte, dass er ein ausgemachter Vollidiot war.
Am Abend fläzte sie sich in einen Sessel im Salon, vertieft in ihre alte, zerfledderte Ausgabe von Emersons Essays . Ihr gegenüber, an dem Schreibtisch aus Mahagoniholz, saß Sophronia über den Haushaltsbüchern. Cain erwartete zwar, dass Kit das jetzt übernahm, aber das sähe Sophronia bestimmt nicht gern. Zudem hatte Kit kein Interesse daran, irgendwelche Leinenhandtücher und -laken zu zählen. Sie wollte nicht Hausfrau spielen, sondern Plantagenbesitzerin
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