Mitternachtsspuren - Mignani, L: Mitternachtsspuren
Beunruhigung und er unternahm keinen Versuch, es zu verbergen.
Unverhohlene Verachtung schlug Morven entgegen. In den Augen sprühte purer Hass.
Makellosigkeit bekam eine neue Bedeutung. Sie thronte in reinem Weiß vor ihr. Nicht ein Schlammspritzer zierte die eng anliegende Kleidung der hochgewachsenen Frau. Jedes honigfarbene Haar lag an seinem Platz, zu einem Knoten in ihrem Nacken zusammengefasst und unterstrich die aristokratischen Züge.
Ihre enge Hose steckte in kniehohen Stiefeln. Der kurze Trenchcoat umhüllte nicht ihre perfekte Figur, sondern zeigte auf subtile Weise, wie vollkommen sie darunter war. Sie hasste Mrs. Proper auf der Stelle.
Spöttisch musterte sie Morven, verharrte mit ihrem stechenden Blick auf den schlammigen Schuhen, ehe sie ihr ins Gesicht sah. Fassungslosigkeit stand in den Augen, als sie ihren Blick traf.
Ihre sarkastisch hochgezogenen Mundwinkel betonten das beleidigende Gehabe.
„Dieses ... Ding soll die Armanach und das Gefäß der Silbertränen sein?“
Wen nannte diese Schlampe ein Ding?
„Dieses ganze Theater wegen ... ihr?“
Zwei ebenso unbefleckte Männer begleiteten sie, das Schwarz ihrer Kleidung unterstrich die missbilligende Haltung. Morven hatte drei neue Freunde gewonnen.
„Ich bin Morven“, tönte sie und griff nach den Schultern der Frau, zog sie gegen sich und küsste sie auf beide Wangen. Ihren Körper drückte sie an das reine Weiß. Sie versuchte, Morven wegzudrücken und gab ihr einen Stoß, aber Morven rutschte erneut aus, umklammerte den Gürtel der Makellosigkeit und fiel mit ihr zusammen in den Schlamm. Lior hob die kreischende Hexe von ihr und Morven grinste breit. Mühsam packte er Norgana und einer ihrer Begleiter schlug ihr auf den Arm, als sie ein Messer zog.
Die Schlange wollte sie mit einer Waffe angreifen. Kendrick stand plötzlich zwischen ihr und dem Miststück, seine Finger zuckten. Selbst seine Rückseite sah bedrohlich aus.
„Norgana!“, sagte einer der schwarz gekleideten Männer in einem kristallklaren Tonfall, der Glas zum Zerbersten bringen konnte.
Kendrick zog Morven erneut aus der Pfütze, diesmal hielt er sie in einer eisernen Umklammerung.
„Willst du mich jetzt mit deinem Dolch erstechen?“ Morven versuchte, aus seinem Griff zu gelangen, aber er gab nicht nach.
„Nur damit du es weißt, Cruella de Vil, eine Scheißwoche liegt hinter mir. Eine versnobte Kuh fehlt mir gerade noch.“
Kendrick legte seine Hand über ihren Mund. Das gab ihr den Rest. Sie verspürte das tiefe Bedürfnis, ihre Zähne in seine Haut zu schlagen.
„Bring Morven in dein Zimmer. Wir treffen uns in dreißig Minuten in der großen Halle“, sagte Dàn, der wie ein Geist auftauchte.
Dàn warf ihr einen trockenen Blick zu und sie sah die Belustigung in seinen Augen.
„Dafür ziehe ich Morven zur Rechenschaft. In aller Öffentlichkeit ein Mitglied des Rates anzugreifen“, zischte Norgana. Selbst ein Waran konnte nicht giftiger sein.
„Tatsächlich? Dein Benehmen strotzt vor Arroganz. Fast erweckt es den Eindruck, dass du darauf abzielst. Sie ist mit dem Prozedere einer Armanach und unseren Bräuchen unvertraut. Du bekamst, was du verdient hast. Sie kennt weder dich noch den Rat. Belass es dabei.“ Dàns Stimme war ruhig, doch die angespannte Körperhaltung verriet ihn. Norgana musste Dàn und Kendrick überwinden, um an sie heranzukommen. Und Lior wirkte umso gefährlicher, da er nicht einen Muskel rührte.
Mit einem Zischen und fliegenden Schlammtropfen verließ der Trupp der ehemals Makellosen die Bildfläche.
Lior und Dàn drehten sich zu ihr, bedachten Morven mit dunklen Blicken, die in ihr den Wunsch weckten, zu fliehen.
Das stand außer Frage, sie war gefangen in Kendricks Armen.
Er sagte nichts. Sein Schweigen drückte sich schwer auf sie, war es doch schlimmer als die Körpersprache der Lugus. Morvens Wangen brannten vor Scham. Sie hatte sich noch nie auf diese Weise aufgeführt. Normalerweise begegnete sie Beleidigungen mit einem Achselzucken.
Kendrick löste den Griff und sie versuchte, einen Schritt zurückzutreten, um seinem verführerischen Duft zu entkommen. Das Tattoo pulsierte unerträglich verlangend. Mit seinem Zorn wurde der Drang fassbarer. Sie wollte, dass er ihr die nassen Kleider auszog und mit ihr tat, was ihm in den Sinn kam. Er sah sie auf eine Weise an, als würde sein Blick tatsächlich in sie eindringen, sie auseinanderpflücken und alle ihre Geheimnisse erkennen. Er führte sie wie eine Geisel ab.
Sie
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