Mitternachtsspuren - Mignani, L: Mitternachtsspuren
nicht loslassen. Erst wenn ich es dir sage.“ Bevor sie reagierte, stand sie mit Kendrick auf dem Portal mit den Standing Stones of Stenness. Ein Strudel erfasste sie, verursachte Übelkeit und Schwindel, derart heftig, dass sie beinahe das Bewusstsein verlor. Ihre Augen waren fest geschlossen, als sie einen Luftzug verspürte und ein schrilles Geräusch hörte - Möwen. Fast hatte sie Angst, die Lider zu öffnen, doch die Neugierde siegte.
Sie standen inmitten der Steine, die wie Riesen über ihnen aufragten. Es regnete, der Temperaturunterschied war gewaltig.
Der Wind wirbelte ihre Haare auf, die nach wenigen Sekunden an ihrem Kopf klebten. Kendrick zog die Kapuze über ihren Kopf. Noch immer umklammerte sie ihn.
„Du kannst mich jetzt loslassen.“ Amüsement klang in seiner Stimme.
Sie ließ ihn los, als wäre er eine heiße Kartoffel. Sie war verloren. Sobald er sie berührte, vergaß sie alles um sich herum. Sie saugte die Stärke seiner Berührung, die Wärme und seinen Duft auf ihrer Haut auf. Das Tattoo pulsierte auf ihrer Schulter im Rhythmus mit den Schmetterlingen, die in ihrem Körper herumschwirrten. Es traf sie bis ins Mark. Äußerst widerwillig löste sie sich von ihm und um sich nicht zu verraten, tat sie es abrupt.
Sein Grinsen ließ sie erstarren. Er wusste es, anscheinend sagte es ihm zu.
Sie waren gerade durch ein Portal gereist und ihre Beine knickten weg. Kendrick fing sie auf.
„Du brauchst nicht bewusstlos zu werden, nur um in meinen Armen zu liegen“, raunte er neckend. Sein Ausdruck verriet ihn. Er fühlte genauso wie sie, unnötig, seine Gedanken zu lesen.
Sie funkelte ihn an, er presste seine Lippen kurz auf ihre und unterband den Versuch, ihm einen unflätigen Tiernamen an den Kopf zu werfen.
„Wir müssen die Steine absuchen. Halt Ausschau nach einem Zeichen, das in die Oberfläche eingebrannt ist. Fass nichts an, schaffst du das?“
Morven warf ihm einen dunklen Blick zu.
Sie nickte und beschloss, keine Schwäche zu zeigen. Sie musste lernen, sich nicht durch seltsame Dinge sprichwörtlich in die Knie zwingen zu lassen. Ihr Vater war ein Dämon, na und? Oh Gott. Wenn das alles vorbei war, brauchte sie eine Therapie.
Sie betrachtete den ersten Stein. Ein lautes Kreischen ließ sie zusammenzucken.
„Du!“ Noch nie hatte sie eine unangenehmere Stimme gehört, so schrill, dass ihre Ohren schmerzten. Kendrick stand neben ihr, seine unmenschlich schnellen Bewegungen erschreckten sie.
„Du traust dich hierher?“
Die Worte brandeten über sie, übertönten den Wind. Sie blinzelte mehrere Male, bevor sie überzeugt war, dass ihre Augen sie nicht trogen.
„Ein roter Zwerg“, flüsterte sie.
Sie überragte ihn um eine Haupteslänge. Zwei Hörner ragten aus seiner Stirn und leuchtend gelbe Pupillen starrten sie an, zudem war er nackt.
„Ich bin kein Zwerg, sondern ein Dämon. Bonitos, der Dritte.“ Er funkelte Morven beleidigt an. In einer Hand hielt er eine Sprühflasche und einen grün glitzernden Schwamm. Er seufzte deutlich.
„Jetzt kann ich von vorn anfangen. Es hat mich Jahre gekostet, unsere heilige Stätte von deinem Schmutz zu befreien.“ Er versuchte, ihr mit einem Finger gegen die Brust zu tippen, sein Handgelenk fand sich in Kendricks Griff wieder. Er kreischte auf, der Ton noch schlimmer, als wenn er sprach.
„Oh du, Kendrick der Söldner, der mit dem Fluch belegt ist.“ Ein weinerliches Geräusch kam aus seiner Kehle. „Bitte füge mir keinen Schmerz zu. Ich eigne mich ...“
Seine Worte erstarben unter Kendricks Kraft.
„Tritt einen Schritt zurück, beweg dich nicht oder ich füge dir Qualen zu, die deine Vorstellungskraft sprengen.“ Kendrick sah ihn dermaßen furchterregend an, dass sie befürchtete, er würde einen Herzinfarkt erleiden. Bekamen Dämonen Herzinfarkte?
„Was für ein Fluch?“, wollte sie wissen. Bonitos starrte intensiv auf den Boden, als nähme das karge Gras seine gesamte Aufmerksamkeit in Anspruch.
„Was weißt du von Morven? Mäßige deine Stimme.“
Während der Dämon sein Handgelenk rieb, warf er dem Lugus einen vorwurfsvollen und ängstlichen Blick zu. Er hatte etwas Wichtiges über Kendrick sagen wollen, jetzt traute er sich nicht mehr. Stattdessen betätigte er die Sprühflasche und eine rote Wolke hüllte sie ein, die entsetzlich nach Pilzen roch. Ihre Augen tränten dermaßen, dass sie nicht sehen konnte, was ihr Gefährte tat, aber sie hörte die Auswirkung. Zuerst ein dumpfes Geräusch, begleitet von
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