Mitternachtsspuren - Mignani, L: Mitternachtsspuren
eine Streitaxt in der Hand, die Klinge blitzte und war mit roten Runen verziert.
„Morris, du machst mir Angst.“ Dàn zwinkerte ihr zu.
Sie dachte an ihren Dolch, der winzig im Vergleich zu den Waffen der Männer aussah. Ob sie es fertigbrachte, ihn zu benutzen? Sich vorzustellen, jemanden zu töten war leicht, sie bezweifelte, dass sie es durchführen könnte.
Die Holzbrücke wurde zu einer Terrasse, die um das Gebäude herumführte. Die Holztür stand offen. Ein saugendes Gefühl erfasste sie, als sie hindurchlief.
„Die Überreste der Schutzglyphen“, sagte Dàn. Er legte seine Hand auf ihre Schulter und schob sie weiter. Keiner sprach es aus, aber Morven wusste, dass eigentlich nichts sie hätte zerstören dürfen.
Mit was hatten sie es zu tun?
„Verdammt, ist das unheimlich.“ Morven hielt mühevoll den Impuls zurück, zu flüchten. Die trostlose Halle verströmte Befremdlichkeit. Es resultierte nicht von der Leere, der fehlenden Wärme, es war das Grauen, als hätten die Steine Entsetzliches gespeichert. Irgendwo klapperte es laut. Sie fuhr beinahe aus den Wanderschuhen. Kendrick zuckte ebenso zusammen, da sie seine Hüfte umklammerte und ihm fast in den Nacken sprang.
„Gefährtin.“ Er drehte sich zu ihr und sie ließ ihn widerwillig los.
Sie starrte zu ihren Füßen, schluckte hart, sie stand auf getrocknetem Blut.
Die Flecken übersäten den Fliesenboden, Zeugnis eines Massakers. Seltsamerweise lagen keine Überreste auf dem Boden.
„Luachrach.“ Lior richtete sich auf und hielt eine graue Hautschuppe in der Hand.
„Sie können nicht alle tot sein“, sagte Dàn. „Dies ist der Sitz der mächtigsten Druidin, bewacht von den Assesinnen.“
Morris zeigte auf die Treppe, die in das Kellergewölbe führte.
„Dort finden wir die Antworten.“
„Vielleicht sollte Morven mit dem Wolf in der Halle warten.“
„Bist du verrückt, Kendrick? Nie im Leben bleibe ich allein mit ihm.“ Sie sah ihn scharf an. „Hast du noch nie einen Horrorfilm gesehen? Wenn die Darsteller sich trennen, sterben sie. Ich stehe inmitten von einem.“
Ihre mickrige Schutzglyphe wäre kaum in der Lage, sie zu schützen.
Kendrick drückte ihr eine Taschenlampe in die Hand.
Auf dem Weg in die Tiefe bereute sie ihre Entscheidung. Eine lange unebene Steintreppe führte in den Abgrund, zerrte an ihren Nerven. Je weiter sie hinabstiegen, desto unwohler fühlte sie sich. Und der Geruch, sie bemerkte ihn nicht nur in ihren Atemwegen, sie hatte das Gefühl, der Gestank überzöge ihre Haut, würde in sie eindringen und sie von innen heraus verpesten.
Endlich erreichten sie den Fuß der Treppe. Sie starrte blinzelnd auf zwei massakrierte weibliche Körper, die an einer Holztür hingen. Ihnen waren unglaubliche Qualen zugefügt worden. Sie sah gebrochene Knochen und Wunden, die sie sich nicht erklären konnte.
Kendrick drückte Morven mit einem Arm an sich. Sie spürte ein Schaudern, das über seine Wirbelsäule wanderte. Anscheinend war dieser Anblick für die Söldner der Dunkelheit kein alltäglicher. Erst jetzt bemerkte sie, dass diearmen Wesen wie festgeleimt wirkten.
„Lasst sie uns runterholen. Morven, lehn dich an die Wand.“ Sie tat, was Kendrick verlangte, denn ansonsten wäre sie zu Boden gesunken. Sie unterdrückte ihre Übelkeit. Wenn sie ihr nachgab, würde sie zusammenbrechen. Sie musste es durchstehen. Später war Zeit, zu weinen.
Ein Seufzen lief durch den Raum, ausgehend von den beiden Körpern. Sie legten sie vorsichtig auf den Boden. Dàn zog eine Plastikplane aus seinem Rucksack und bedeckte sie.
„Sie haben die Tür mit ihrem Leben beschützt. Nur sie selbst oder ein Verbündeter dürfen die Tür öffnen.“ Kendrick zog Morven zu sich, schenkte ihr Halt, den sie dringend benötigte. Trotz der furchtbaren Situation starrte sie fasziniert auf die Tür. Die Oberfläche zierten zwei schimmernde eingebrannte Glyphen. Kleine goldene Funken suchten sich den Weg zu den toten Frauen. Ein schillernder Nebel lag auf der Plane, ehe es verschwand.
Ein Wispern lag über dem Raum.
„Ihre Seelen sind mit den Körpern vereint“, sagte Kendrick weich.
Die Tür öffnete sich mit einem saugenden Geräusch, knarrte, bevor sie aufflog.
Die beeindruckendste Frau, die Morven jemals gesehen hatte, stand mitten im Raum.
Silberne Haare umflossen ein ovales Gesicht. Silberne Runen und Verletzungen überzogen die dunkle Haut. Als ihr Blick auf die Söldner fiel, kam ein Laut purer Verzweiflung aus ihrer
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