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Mitternachtsstimmen

Mitternachtsstimmen

Titel: Mitternachtsstimmen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Saul
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loszubrechen, und Caroline
wappnete sich instinktiv. »Sie ist heute erst angekommen, und
wir kennen sie kaum, und deshalb kannst du ihr zumindest eine
Chance geben.«
»Tony kennt sie!«, platzte Ryan so laut heraus, dass Chloe
erschrak, sich aus seinen Armen frei machte und vom Bett
hüpfte. Als ihm klar wurde, was er gesagt hatte, weiteten sich
seine Augen vor Schreck, und er presste die Hand auf den
Mund.
Verwundert starrte Caroline ihren Sohn an. Wovon in Gottes
Namen redete der Junge? Woher sollte Tony sie kennen? Und
wenn, wie konnte Ryan das wissen? Behutsam zog sie die
Hand von seinem Mund. »Wovon redest du? Wie kommst du
darauf, dass Tony Melanie kennt?« Ryan wurde kreidebleich,
und jetzt sah Caroline die Angst in seinen Augen. »Schatz, was
hast du denn? Ist etwas passiert?« Eine lange Weile machte
Ryan den Mund nicht auf, doch dann nickte er, eine minimale
Bewegung mit dem Kopf, die Caroline beinahe nicht bemerkt
hätte. »Was denn?«, fragte sie leise. »Was ist passiert? Was
immer es auch sein mag, ich verspreche dir, dass ich nicht böse
auf dich sein werde.« Ganz deutlich sah sie seine Unsicherheit,
den inneren Kampf, doch dann drückte er ihre Hand.
»Du darfst ihm aber nicht sagen, dass ich dir das erzählt
habe«, flüsterte er, und dabei huschte sein Blick im Zimmer
umher, als glaubte er, sein Stiefvater könnte sich in einer
finsteren Ecke versteckt halten und alles mithören.
»Selbstverständlich nicht«, versicherte ihm Caroline.
»Ich … ich habe mich kürzlich in sein Zimmer geschlichen –
den Raum, den wir nicht betreten sollen.«
»Du meinst sein Arbeitszimmer?«
»Hm. Und dort habe ich ein Album gefunden.«
»Ein Fotoalbum?«
»Hm. Auf einer Ablage unter einem Tisch neben dem
Kamin. Mit ganz vielen Fotos – auch eins von Tony in ganz
altmodischen Kleidern. Und eines mit dieser Frau drauf.«
»Melanie Shackleforth?«
»Hmm-mh. Ja, und noch von vielen anderen Leuten, aber
alle hatten sie so komische Kleider an.«
Caroline suchte nach einer Antwort. »Vielleicht hatten sie
sich für einen Kostümball angezogen.«
Diesmal schüttelte Ryan den Kopf. »Tony sagte, dass er das
gar nicht sei auf dem Foto, sondern sein Urgroßvater. Aber er
sah ganz genauso aus wie er.«
Einige Sekunden verstrichen, während derer Caroline
versuchte herauszufinden, was Ryans Worte bedeuten könnten.
Denn selbst wenn er ein altes Fotoalbum mit Bildern von
Tonys Urgroßvater gefunden hatte, woher kam dann diese
Angst? »Weißt du, ich werde Tony fragen, ob er mir das
Album mal zeigt«, schlug sie vor, doch sofort wurde Ryan
weiß wie die Wand und drückte ihre Finger so fest, dass es
wehtat.
»Nein! Er … er hat mir gesagt, dass ich niemals wieder
etwas in diesem Zimmer anfassen oder das Zimmer auch nur
betreten dürfte! Und er hat mir verboten, irgendjemanden
davon zu erzählen. Wenn er herauskriegt …«
Sein verängstigter Blick war so durchdringend, dass Caroline
ihn in die Arme nahm und wiegte wie ein Baby. »Ryan, mein
Liebling, es gibt nichts, wovor du dich zu fürchten brauchst.
Du hast doch keine Angst vor ihm, oder?«
Ryan sah zu ihr hoch, und seine Augen glitzerten genauso
wie Lauries vor einer Weile. »Sag ihm bitte nichts davon, ja?
Du hast es versprochen! Okay?«
Caroline legte ihm tröstend die Hand auf die Stirn. »Und ich
halte mein Versprechen«, sagte sie leise. Dann griff sie nach
unten und hob Chloe wieder aufs Bett. Sofort kuschelte sich
die kleine Schnauzerhündin an Ryan, und der schlang dankbar
seine Arme um sie. »Ich werde weder Tony noch sonst
jemandem ein Wort davon erzählen«, versprach Caroline noch
einmal. »Und ich versichere dir, dass es nichts gibt, wovor du
dich fürchten musst.« Doch als sie ein paar Minuten später
Ryans Licht ausschaltete, die Tür hinter sich zuzog und die
Treppe hinabstieg, hallten ihre letzten Worte wie ein Echo
durch ihr Bewusstsein.
Es gibt nichts, wovor du dich fürchten musst.
Es gibt nichts, wovor du dich fürchten musst.
Es gibt nichts, wovor du dich fürchten musst.
Doch so oft sie die Worte auch wiederholte, sie schaffte es
einfach nicht, sie zu glauben.
Da gab es etwas, wovor man sich fürchten musste; davon
war sie überzeugt.
Tony?
Nein! Tony konnte es nicht sein. Es musste etwas anderes
sein.
Aber was?

26. Kapitel
    Dreimal lief Caroline an der Tür von Tonys Arbeitszimmer
vorbei, ehe sie schließlich stehen blieb. Es war noch früh, kurz
nach acht. Tony hatte die Wohnung vor

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