Mitternachtsstimmen
Melanie
leichthin zurück. »Betrachten Sie das Problem als gelöst. Jetzt
gehen Sie hinauf zu Ihren Kindern und lassen mich das hier
fertig machen. Danach verschwinde ich, versprochen.
Ich kann nicht glauben, dass ich nur kurz vorbeischauen
wollte und den ganzen Abend geblieben bin. Schrecklich!«
»Nein, im Gegenteil. Es war wunderbar. Ich hatte einen
wirklich abscheulichen Tag, bis Sie hier aufgetaucht sind. Und
jetzt glaube ich, dass ich überleben werde.«
»Neue Freunde«, sagte Melanie und drückte Caroline kurz
an sich. »Die können wir alle brauchen, nicht wahr?«
Ein wenig von der Last des Tages fiel ihr von den Schultern,
als Caroline die freundschaftliche Umarmung erwiderte. Dann
lief sie hinauf, um den Kindern Gute Nacht zu sagen.
»Wie geht es dir?« Caroline saß auf der Kante von Lauries Bett
und beugte sich über sie, um ihr eine Locke aus der Stirn zu
streichen.
»Gut«, antwortete Laurie, doch der Tonfall in ihrer Stimme
strafte ihre Antwort Lügen.
»Glaubst du, dass du morgen wieder zur Schule gehen
kannst?«
Laurie zuckte mit den Schultern. »Ja, schon.«
Alarmiert von Lauries Einsilbigkeit und dem seltsamen
Tonfall, fühlte sie mit dem Handgelenk ihre Stirn. Kühl und
trocken – kein Anzeichen für Fieber. »Stimmt sonst irgendwas
nicht mit dir, mein Schatz?«, fragte sie besorgt.
Laurie zögerte, und als sie schließlich sprach, sah sie ihre
Mutter dabei nicht an. »Ich mache mir – ach, ich weiß nicht.
Ich denke –« Wieder schwieg sie, doch dann sah sie ihrer
Mutter direkt in die Augen. »Glaubst du, dass etwas mit
Rebecca passiert ist?«
»Rebecca Mayhew?«
Nicken.
»Warum sollte ihr etwas passiert sein? Hast du heute mit ihr
gesprochen?«
Kurze Pause, dann schüttelte Laurie den Kopf. »Ich bin kurz
zu ihr hinaufgegangen, aber sie war nicht zu Hause.«
»Ach? Wo war sie denn?«
»Sie ist nach New Mexico gefahren!«
»New Mexico? Warum um alles in der Welt sollte sie nach
New Mexico gefahren sein?«
»Mrs. Albion sagte, sie wollte dort Mr. Albions Bruder
besuchen. Sie meinte, das Klima würde ihr gut tun. Aber …«
»Aber was?«, drängte Caroline.
»Ich weiß auch nicht«, murmelte Laurie unglücklich. »Sie
hat kein Wort davon gesagt, dass sie verreisen wollte, und
dabei habe ich sie doch gestern noch gesehen. Und gestern
Nacht hatte ich so einen komischen Traum.« Mit feuchten
Augen sah sie zu ihrer Mutter hoch. »Ich … ich habe geträumt,
dass sie tot ist, Mom.«
Als ihr eine Träne über die Wange kullerte, nahm Caroline
ihre Tochter ganz fest in die Arme. »Ach, Liebling, das hat
nichts zu bedeuten – Träume sind eben Träume. Was wir im
Traum sehen, passiert nicht in Wirklichkeit.«
»Das weiß ich ja, aber –«
»Kein Aber«, sagte Caroline und drückte Laurie sanft in die
Kissen zurück. »Du hast einfach nur schlecht geträumt, und ich
bin sicher, dass mit Rebecca alles in Ordnung ist. Aber ich
verspreche dir, dass ich morgen früh mit Alicia sprechen und
mich vergewissern werde, dass Rebecca gesund und munter ist.
Okay?«
Laurie schien noch etwas sagen zu wollen, doch dann nickte
sie. Caroline beugte sich zu ihr und gab ihr einen
Gutenachtkuss. »Schlaf gut, mein Schatz. Morgen früh wirst du
wieder ganz auf dem Damm sein. Und wenn du heute Nacht
schlecht träumst, dann komm nur und wecke mich auf, ja?«
Laurie schlang die Arme um den Nacken ihrer Mutter. »Ich
habe Angst, Mom«, flüsterte sie. »Ich fürchte –«
»Sch«, versuchte Caroline sie zu beruhigen. »Es gibt nichts,
wovor du dich fürchten musst. Das verspreche ich dir.« Doch
noch während sie die Worte aussprach, wusste sie, dass sie
nicht wahr waren. Brad war tot, und Andrea war tot, und trotz
des Versprechens, das sie ihrer Tochter eben gegeben hatte,
war sie davon überzeugt, dass es sehr wohl etwas zu fürchten
gab.
Vielleicht würde Laurie heute durchschlafen, aber Caroline
wusste bereits schon jetzt, dass sie selbst nicht gut schlafen
würde.
»Ich brauche keinen Babysitter«, maulte Ryan. Er saß aufrecht
im Bett und hatte die Arme um Chloe geschlungen, wie früher
als kleiner Junge um seinen Teddy. »Und ich mag sie nicht!«
»Du kennst sie doch kaum«, wand Caroline ein und
wünschte, sie hätte bis zum Morgen mit der Ankündigung
gewartet, dass Melanie Shackleforth sich um ihn kümmern
würde, während sie arbeiten ging. Dann wäre der Abend so
friedlich ausgeklungen, wie er angefangen hatte. Doch jetzt
drohte der Sturm in Ryans Augen
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