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Mitternachtsstimmen

Mitternachtsstimmen

Titel: Mitternachtsstimmen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Saul
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stoßen würde, die hinab auf
den Gehsteig führte.
    Er kletterte über die Balustrade, drehte sich um und
klammerte sich dann an den Seitenstangen der Leiter so fest,
dass ihm die Finger wehtaten, während er mit dem rechten Fuß
nach der obersten Sprosse tastete. Dann stellte er sich
probeweise mit seinem ganzen Gewicht darauf, doch trotz des
Rosts fühlte sie sich stabil an. Nun brachte er den linken Fuß
nach unten und eine Hand, dann wieder den rechten Fuß und
die andere Hand, so dass er immer mit einer Hand die Leiter
fest im Griff hatte.
    Langsam und sehr konzentriert kletterte er nach unten. Mit
jeder gemeisterten Sprosse wurde er eine Spur ruhiger, und
schließlich erreichte er den obersten Absatz einer Eisentreppe.
Etwas knackte, als er mit beiden Beinen darauf stand, und er
erstarrte. Die Nacht erschien ihm auf einmal so still.
    Zu still?
Er schaute sich um. Das Fenster, das zur Feuertreppe hinaus
ging, war dunkel, doch im Licht den Mondes konnte er
erkennen, dass die Vorhänge zugezogen waren. Sein Herz
begann zu rasen, als er sich vorstellte, dass plötzlich die Vorhänge aufgezogen wurden, und jemand zu ihm hinausspähte.
Der Gedanke, hier draußen auf der Feuerleiter entdeckt zu
werden, lähmte jeden Muskel in seinem Körper, doch als
gleich darauf ein Auto unten auf der Straße hupte, erschrak er
so, dass er sich instinktiv mit der verletzten Hand an der
Seitenstange festklammerte.
Der stechende Schmerz, den das rostige Metall verursachte,
als es in seine offene Fleischwunde drückte, riss ihn schließlich
aus seiner Lethargie. Er rannte die Treppen hinab, so leise wie
möglich und ohne auf den Absätzen anzuhalten um zu sehen,
ob eines der Fenster offen war. In weniger als einer Minute
hatte er den untersten Treppenabsatz erreicht und spähte hinab
in den schmalen Zwischenraum, der das Gebäude vom
Rockwell trennte.
An der Rückseite des Rockwell huschte eine Ratte entlang,
und Ryan sah zu, wie sie senkrecht die Mauer hochkrabbelte
und in eine der Abfalltonnen sprang, deren Deckel nicht
schloss. Ein paar Sekunden später folgte eine zweite. Ryan
schüttelte sich und konzentrierte sich wieder auf die Leiter, die
ihn bis auf den sicheren Boden bringen würde. Der letzte
Schritt stellte sich als einfach heraus – es war nur ein einfacher
Haken, der die Leiter hielt, und sobald er ihn gelöst hatte,
konnte er die Leiter die letzten Meter nach unten schieben.
Unten angekommen, zogen die Gegengewichte die Leiter
wieder nach oben. Nach einem letzten angeekelten Blick auf
die Mülltonne, in der die Ratten verschwunden waren, rannte
Ryan den schmalen Gang hinaus auf die 70. Straße, wandte
sich nach links und lief weiter nach Westen.
Das Biddle Institut an der 82. Straße West.
An der Columbus Avenue bog er nach Norden ab. So spät
abends war er noch nie allein unterwegs gewesen, und an
diesem Abend kamen ihm die Straßen noch viel gefährlicher
vor als sonst. Auf dem Gehsteig herrschte reger Betrieb. Ryan
lief im Zickzack, bahnte sich seinen Weg Richtung Stadtmitte
so schnell es nur ging. Er merkte freilich, dass manche Leute
ihn ansahen, war aber klug genug, die Blicke nicht zu
erwidern. Dann, als er zur 82. Straße kam, hatte er keine
Ahnung, in welche Richtung er gehen sollte. Er spähte erst
nach rechts, dann nach links, doch die Häuser sahen auf beiden
Seiten ziemlich gleich aus. Er überlegte und entschied sich
dann, erst einmal die Richtung zum Park einzuschlagen und
jedes Gebäude auf der Südseite genau anzusehen, dann die
Straße zu überqueren und auf der anderen Seite zurückzulaufen. Wenn er wieder an dieser Ecke ankäme, würde er
weiter nach Westen laufen und immer wieder die Straße
überqueren, wenn er ein Schild nicht richtig lesen konnte.
Aber wenn an dem Gebäude gar kein Schild angebracht war?
Wenn es nun eines dieser Häuser war, das man nur an seiner
Adresse erkennen konnte?
Er beschloss, an diese Möglichkeit einfach nicht zu denken.
Er wandte sich nach Osten, ging den schmalen Gehsteig
entlang, las jedes Schild und inspizierte jedes Haus, das kein
Schild besaß. Ein paarmal stieg er sogar die Stufen hinauf, um
die Namen auf den Briefkästen zu überprüfen.
Als er schließlich zur Central Park West kam, überquerte er
die Straße und arbeitete sich auf der anderen Seite wieder
zurück.
Nichts.
Er überquerte die Columbus und ging weiter bis zur
Amsterdam Avenue. Als er kurz stehen blieb, um eines der
Schilder auf der

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