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Mitternachtsstimmen

Mitternachtsstimmen

Titel: Mitternachtsstimmen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Saul
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konnte nicht Virginia Estherbrook
sein. Und sie konnte unmöglich Tony und ihre Nachbarn
gesehen haben, die sich um ihre Tochter versammelt hatten,
um ihr das Leben abzusaugen.
Und doch lag sie, die Hände fixiert, im Bett, starrte an die
Decke und wartete auf –
Auf was?
Einen Arzt? Einen Arzt, der kommen würde, um sie gesund
zu machen?
Aber sie war doch gar nicht krank.
Nicht krank … nicht verrückt … nicht paranoid …
Aber waren das nicht gerade die Kriterien für eine
Wahnvorstellung, dass man überzeugt davon war, dass alles,
was man sich einbildete, sich tatsächlich auch ganz real so
abspielte?
Und wenn dieser Arzt – sofern er ein Arzt war – nun Recht
hatte? Als er zu ihr gekommen war … wann war das gewesen?
Vor Stunden? Vor Minuten? Nicht dass es wichtig wäre.
Wichtig war nur, dass er ihr alles erklärt hatte.
So, als spräche er zu einer Fünfjährigen.
»Sie hatten einen Zusammenbruch«, hatte er ihr gesagt.
»Nichts Ernstes. Ich schätze, dass Sie in ein paar Tagen wieder
nach Hause gehen können. Sie brauchen nur Ruhe, und das
weit weg von Arbeit und Kindern. Betrachten Sie es einfach als
eine Auszeit, die Sie sich zu Ihrem eigenen Wohl nehmen.«
Aber es war kein Zusammenbruch, und sie war nicht
verrückt und –
Und sie erinnerte sich an Detective Oberholzers Blick, als sie
ihm zu schildern versucht hatte, was passiert war. Er hatte ihr
genauso wenig geglaubt wie der Doktor.
Seit der Spritze, die sie so schnell hatte einschlafen lassen,
dass sie gar nicht hatte beenden können, was sie Oberholzer
sagen wollte, war alles verschwommen. Als sie aufgewacht
war, war ihr Verstand so vernebelt gewesen, dass sie sogar zu
träge gewesen war, sich aufzusetzen. Sie lag einfach nur da –
wie lange wusste sie nicht – bis der Nebel sich allmählich
lichtete, und ihre Erinnerungen zurückzukehren begannen.
Zunächst hatten sie angemutet wie die letzten Eindrücke eines
Albtraums, die sie nicht hatte abschütteln können, doch als ihr
Verstand wieder zu arbeiten begann, verschwanden sie nicht
wie andere Traumbilder.
Stattdessen wurden sie mit jeder Minute, die verstrich,
lebendiger, und je mehr sich ihr Bewusstsein klärte, desto
vehementer schob sich wieder die Angst um ihre Kinder in den
Vordergrund und verdrängte die Wirkung der Medikamente,
die sie ihr eingeflößt hatten. Und inzwischen hatte sie auch
wieder angefangen, ihr Mantra zu rezitieren: Es ist alles wahr
…es ist alles wahr …
Doch wenn das alles wahr, und sie nicht verrückt war, dann
musste sie einen Ausweg finden. Aus diesem Zimmer und aus
diesem Krankenhaus, oder was immer das hier war. Aber die
einzige Möglichkeit, das zu schaffen, war, bei klarem Verstand
zu bleiben; und die einzige Möglichkeit, bei klarem Verstand
zu bleiben, war, die Medikamente zu vermeiden. Wenn sie ihr
wieder so eine Injektion gaben –
Caroline weigerte sich, diesen Gedanken zu Ende zu denken,
doch dann entschied sie sich plötzlich um. Wenn sie nicht
verrückt war, dann konnte sie der Realität ins Gesicht sehen
und rationale Entscheidungen treffen. Sie formulierte den
Gedanken erneut und zwang sich diesmal, ihn bis zu seiner
logischen Schlussfolgerung durchzudenken. Wenn sie ihr
wieder so eine Injektion verpassten, würde sie wieder in
Tiefschlaf fallen. Und wenn sie schlief, konnte sie nichts
unternehmen, um ihren Kindern zu helfen. Sie würde warten
müssen, bis die Droge an Wirkung verlor, der Nebel sich
auflöste und wieder von vorne anfangen. Zeit würde verloren
gehen und Laurie bis dahin tot sein.
Tot.
Nein, das würde sie nicht geschehen lassen, nicht solange sie
noch einen Funken Leben in sich spürte.
Danach war alles viel einfacher. Sie konzentrierte sich jetzt
immer nur auf eine Sache. Als Erstes hatte sie dieses Zimmer
auf etwaige Fluchtwege überprüft. Und dabei war ihr klar
geworden, dass dies hier kein normales Krankenhaus war.
Einmal ganz abgesehen von der Bambustapete, die viel zu
teuer für ein Krankenhaus aussah, gab es noch andere Dinge,
die einfach nicht passten. Nirgendwo im Zimmer gab es eine
Uhr. Keinen Fernseher. Und kein Fenster.
Nur ein kahler Raum mit einer Eichentür und einem
Kristalltürknauf.
Der gleiche Knauf, wie sie ihn aus den Wohnungen im
Rockwell kannte!
Befand sie sich etwa noch dort? In irgendeiner anderen
Wohnung? Nein, das ergab keinen Sinn – so wie Detective
Oberholzer sich gegeben hatte, musste sie sich in einer Art
Krankenhaus befinden. Der

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