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Mitternachtsstimmen

Mitternachtsstimmen

Titel: Mitternachtsstimmen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Saul
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Mund.
Um nach Hilfe zu rufen?
Nach jemandem – irgendjemandem – der ihm antwortet?
Aber das hätte auch nichts geholfen, denn seinem
erschöpften Körper entrang sich kein einziger Laut.
Das Atmen kam näher, und das Geräusch wispernder
Stimmen umfing ihn. Seine Nerven spannten sich zum
Zerreißen, als er die Nähe der Peiniger spürte. Er versuchte
sich ganz klein zu machen, von ihnen wegzuschrumpfen.
Ein Licht – blendend weiß – flammte auf, und in dem
Bruchteil einer Sekunde, bevor ihn das Licht genauso blind
machte wie die Dunkelheit zuvor, sah er die umrisse.
Die Gestalten umkreisten ihn, kamen immer näher.
Zitternde Hände, die in knochigen Fingern endeten, griffen
nach ihm.
Es ist ein Traum, beruhigte er sich. Nur ein Traum, aus dem
ich wieder erwachen werde.
Erwachen, um wieder im Dunkeln zu sein?
Ihm war, als würde er hochgehoben, von dem harten Bett,
auf dem er lag.
Jetzt wurde er getragen.
Man trug ihn in den Folterraum.
Sein Verstand schrie auf, doch wie schon zuvor weigerte sich
sein schwacher Körper, den Kommandos des Verstands Folge
zu leisten.
Jetzt standen die Gestalten in einem engen Kreis um ihn
herum, und das Flüstern der Stimmen wurde lauter und
aufgeregter.
Zum ersten Mal tauchten Worte aus dem Gebrabbel auf.
»Meiner«, wisperte jemand. »Den beanspruche ich. Es ist
meiner.«
Das Gebrabbel wurde lauter, und jetzt bohrten sich
abgebrochene Fingernägel in seine Haut. Etwas drückte auf
seinen Bauch, etwas Hartes und Scharfes. Dann hörte es sich
an, als platzte etwas, und der Druck auf seinen Bauch ließ
nach, aber nur um etwas viel Schlimmerem Platz zu machen.
Einem unsäglichen Schmerz. Der erst vom Bauch nach oben
raste, dann hinab. Beinahe so als ob –
Er versuchte, den Gedanken zu verdrängen, doch allen
Anstrengungen zum Trotz verschaffte das Bild sich Raum. Es
war, als schwebte er in der Luft und schaute hinab auf das
Gemetzel, das sein eigener Leib war:
Sein Körper, von der Leiste bis zur Kehle aufgeschlitzt.
Blut quillt aus den klaffenden Wunden, tropft durch seine
Eingeweide.
Sein zur Hälfte zerrissenes Zwerchfell zittert schwach bei
dem Versuch, Luft in seine Lungen zu saugen, die schlaff in
seiner offenen Brusthöhle liegen.
Sein Herz, das erst wie wild rast, dann langsamer wird, hält
sich an keinen Rhythmus mehr.
Bleibt stehen.
Bleibt stehen!
Er lag im Sterben!
Diesmal starb er wirklich!
Aber es war nur ein Traum! Ein Albtraum, aus dem er
erwachen und sich wieder finden würde in der –
Dunkelheit?
Der grauenvollen Dunkelheit, wo nichts, nicht einmal die
Zeit existierte.
Er spürte sie jetzt, spürte, wie sich die Dunkelheit um ihn
legte. Das schreckliche Bild seines abgeschlachteten Körpers
verblasste, aber anderswo – irgendwo über ihm, erschien ein
winziger Lichtpunkt.
Ein Punkt, der größer und heller wurde, aber immer noch
weit entfernt war.
Er strebte dem Licht zu, ließ die Angst, die Dunkelheit und
die schemenhaften Gestalten hinter sich.
jetzt rannte er, so schnell er konnte, flog dem Licht entgegen,
während ihn ein Gefühl der Schwerelosigkeit erfasste, ihn
aufhob und in das leuchtende Weiß entließ.
Der Traum, der endlose Albtraum, aus dem es anscheinend
kein Entrinnen gegeben hatte, fand schließlich doch ein Ende,
und ließ ihn frei.
Frei, um in die Ewigkeit zu entschweben.

9. Kapitel
    Ich tue das Richtige, sagte sich Caroline. Ich weiß, dass ich das
Richtige tue. Doch obgleich die bestärkenden Worte noch
nachhallten, schwirrte ein nagender Zweifel wie eine Stechfliege um sie herum, so winzig, dass sie sie kaum sehen konnte.
Aber gerade diese beinahe Unsichtbarkeit machte ihre Anstrengungen, sie zu vertreiben, so vergeblich. Mit prüfendem
Blick betrachtete sie ihr Spiegelbild, überzeugt, dass das Bild,
das sich ihr bot, sie beruhigen würde. Die Sorgenfalten, die
sich noch vor wenigen Monaten zwischen ihre Augenbrauen
gegraben hatten, waren verschwunden, und selbst ohne eine
Spur Make-up sah sie genauso jung aus wie bei ihrer Hochzeit
mit Brad.
    Brad.
Obwohl er erst knapp ein Jahr tot war, gab es bereits Tage,
an denen sie nicht an ihn dachte. Nicht viele, aber einige. Doch
das war normal, oder? Da sie heute heiraten würde, war es
doch nur natürlich, dass sie mehr an Tony Fleming dachte als
an Brad Evans.
Woher kam dann dieses vage Schuldgefühl? Das Gefühl,
irgendwie unloyal zu sein? Sie kannte die Antwort. Zum Teil
beruhte dieses Gefühl darauf, dass sie vor ihrer Begegnung mit
Tony

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