Mitternachtsstimmen
in Ordnung«, sagte Caroline leise und zog sanft
ihre Hand aus der seinen.
Widerstrebend bewegte Ryan sich gerade so weit zu Max
Albion hin, dass er ihm die Tüte abnehmen konnte, und öffnete
sie so argwöhnisch, als erwartete er, darin eine giftige Natter zu
finden. Doch als er dann entdeckte, was in der Tragetasche lag,
änderte sich seine Miene schlagartig. »Wow!«, stieß er
ungläubig hervor, zog den Baseballhandschuh heraus und
streifte ihn über.
»Wahnsinn!« Er hielt ihn hoch, damit seine Mutter ihn
bewundern konnte. »Schau! Das ist genau der, den ich wollte!«
Caroline hatte den Handschuh genauso schnell erkannt wie
ihr Sohn – das letzte Mal hatte sie ihn am Tag vor der Hochzeit
gesehen, als Ryan sie in Sports Authority an der 57. Straße
gezerrt und ihr zum wiederholten Male wortreich erklärt hatte,
warum er ohne diesen Handschuh absolut nicht leben könne.
Der Preis von hundertfünfzig Dollar hatte jedoch ausgereicht,
dass sie ihrem Sprössling erklärte, warum er diese Handschuh
absolut nicht haben könne, obwohl die Provision, die sie für die
Umgestaltung von Irene Delamonds Wohnung erhalten hatte,
so reichlich war, dass sie ihn sich unter Umständen sogar hätte
leisten können. Jetzt sah sie Max Albion unsicher an. »Das
hätten Sie nicht tun sollen. Das ist doch viel zu viel.«
Albion schüttelte den Kopf, und seine roten Hängebacken
zitterten. »Unsinn«, wiegelte er ab. »Ein Junge braucht seinen
eigenen Baseballhandschuh, und das sollte nicht irgendein alter
ausgedienter sein.« Jetzt wandte er sich an Ryan. »Und, was
sagst du dazu? Ist der okay?«
Ryan, der bereits seine rechte Faust in den Handschuh
rammte, um eine Kuhle zu erzeugen, sah zu ihm hoch. »Der ist
super! Ich bitte Mom schon seit dem Sommer, dass sie mir
einen kauft, aber sie sagt, der kostet zu viel!«
»Und das stimmt auch«, beharrte Caroline. »Das ist sehr
freundlich von Ihnen, Mr. Albion, aber ich bin nicht sicher, ob
Ryan dieses Geschenk annehmen kann.«
»Aber ich bitte Sie«, entgegnete Max Albion mit dröhnender
Stimme. »Selbstverständlich kann er es annehmen. Außerdem
ist es eh schon zu spät, den Handschuh zurückzubringen – er
hat ihn bereits beschädigt.«
Sichtlich erschrocken darüber, dass er den Handschuh
tatsächlich kaputtgemacht haben könnte, schaute Ryan hoch
und sah, wie sein Wohltäter ihm zuzwinkerte. »Stimmt das
nicht, Ryan? Wenn man den Handschuh einmal seiner Hand
angepasst hat, kann ihn kein anderer mehr benutzen, oder?«
Ryan nickte schweigend, obwohl er wusste, dass er Monate
brauchen würde, um den Handschuh richtig zu formen.
Caroline, die wusste, dass sie verloren hatte, gab so taktvoll,
wie das der Mutter eines Elfjährigen möglich war, nach.
»Willst du dich nicht bei Mr. Albion bedanken?«
»Danke, Mr. –«
»Onkel Max«, berichtigte ihn Max Albion. »Nenn mich
Onkel Max. Vielleicht können wir den Handschuh am
Wochenende gleich mal richtig einspielen.« Damit wandte er
sich wieder Caroline zu. »Sie wissen ja gar nicht, wie schön
das ist, einen Jungen im Haus zu haben. Mit den Mädchen
allein wird das viel zu ruhig hier. Und das ist für uns Männer
gar nicht gut«, fügte er mit einem Blick auf Tony hinzu.
Der restliche Tag verging unter dem ständigen Kommen und
Gehen der Nachbarn, von denen jeder etwas mitbrachte – ein
Körbchen mit Teegebäck, eine Platte Zimtrollen, selbst
gemachtes Fondant, das köstlicher war als alles, was Caroline
je in einer Konditorei gegessen hatte. Am Abend war dann jede
verfügbare Abstellfläche in der Küche mit Platten, Körben oder
Schüsseln voll gestellt. Sogar Virginia Estherbrook hatte sich
herbemüht und einen ganz extravaganten Blumenstrauß
mitgebracht, unter anderem mit Tulpen und Narzissen, die zu
dieser Jahreszeit kaum zu bekommen waren. »Für den Frühling
Ihrer Ehe, wenn nicht für das ganze Jahr«, verkündete sie, als
sie die Vase – ein Kristallkunstwerk in der Form zweier
aneinander geschmiegter Tauben, die Caroline schon seit
Jahren in der Lalique-Boutique an der Madison Avenue
bewundert hatte – auf einem viktorianischen Tischchen in der
Eingangsdiele abstellte, wo man sie nur schwer übersehen
konnte. »In einem anderen Leben muss ich Floristin gewesen
sein«, erklärte sie ganz unbescheiden, während sie auf eine
beinahe einstudierte Art und Weise ein paar Blumen zurechtzupfte, dass man meinen konnte, sie stünde auf der Bühne. Sie
trat einen Schritt
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