Mitternachtsstimmen
vielleicht das
Mädchen, wegen dem Andrea sich solche Sorgen macht?«
Caroline nickte. »Genau dieses Mädchen.«
Rochelle rollte unheilvoll mit den Augen. »Mann o Mann,
lasst Andrea ja nicht hören, was Onkel Max für Ryan getan hat
– sonst fängt sie gleich an, ihn für einen Perversen oder so was
zu halten. Oder hat sie Tony bereits mit diesem Titel bedacht?«
»Ach, komm schon – so ist Andrea nun auch wieder nicht.
Sie hat einfach nur den ganzen Tag mit diesen grässlichen
Menschen zu tun und glaubt wohl, dass alle so sind. So wie
Cops denken, dass jeder ein Krimineller ist, und Ärzte, dass
alle Leute krank sind.«
Sie kamen wieder unten an, und Beverly sah sich noch
einmal in der weiträumigen Diele um, von der diverse, nicht
weniger imposante Räumlichkeiten abgingen. »Sie war doch
auch diejenige, die dir dringend davon abgeraten hat, mit Tony
etwas anzufangen, erinnerst du dich? Also, lass dir von ihr
nicht deine Ehe vermiesen.«
»Keine Angst – sie freut sich genauso für mich wie ihr.«
Rochelle drehte sich um und sah Caroline scharf an. »Wenn
du das glaubst, dann spinnst du. Sie wünscht mir nichts Gutes,
und Beverly auch nicht. Wir haben beide viel zu reich
geheiratet. Mit dir und Brad war es damals okay – er war zwar
nicht ganz so arm, wie sie gehofft hatte, aber eben auch nicht
richtig reich. Das hier hingegen –« Ihr Blick wanderte noch
einmal über die verstaubte Eleganz dieser feudalen Wohnung.
»Darauf ist sie eifersüchtig, und sobald die Wohnung renoviert
ist, und du und Tony euch hier richtig eingerichtet habt, wird
sie alles tun, um euch das Leben madig zu machen.«
Ein paar Minuten später waren Rochelle und Beverly
gegangen, und gegen neun hatten sich auch die letzten
Besucher verabschiedet.
Um zehn lagen die Kinder im Bett und schliefen.
Um elf liebten sich Caroline und Tony.
Und um Mitternacht, nachdem Caroline eingeschlafen war,
begannen die Stimmen …
13. Kapitel
Sie war wach.
Diesmal war sie ganz sicher wach. Aber sie war blind.
Nein, nicht blind. Nur verloren in der Finsternis, die sie
schon so lange umfing, dass sie schließlich zu ihrem Freund
geworden war.
Wenn es ganz dunkel um sie herum war, dann klangen
zumindest die Stimmen gedämpft, und manchmal konnte sie
beinahe glauben, dass sie für immer verstummt waren.
Nun lauschte sie, spürte in der Dunkelheit angestrengt jeder
Art von Gefahr nach, die sich dort verbergen mochte.
Aber da war nichts.
Vielleicht war sie sicher, zumindest für eine kurze Weile.
In der Stille und der Dunkelheit ließ sie ihre Gedanken zu
anderen Dingen wandern.
Ihrem Körper.
Sie versuchte ihren Körper zu spüren, ihre Finger und Zehen
zu bewegen.
Eine Hand oder einen Arm zu heben.
Nichts.
War ihr Körper versehwunden?
War ihr nur der Verstand geblieben, in der lautlosen
Dunkelheit schwebend?
Würde danach nichts mehr kommen? Würde sie bis in alle
Ewigkeit im Dunkeln verbringen müssen, ohne etwas zu sehen,
zu hören, zu fühlen?
Panik wallte in ihr hoch, und einen Moment lang fürchtete
sie, dass letztendlich auch noch ihr Verstand vergehen, und sie
unwiderruflich in diese Albtraumwelt abgleiten würde, wo das
grelle Licht über ihr hing und sie so sehr blendete wie die
Dunkelheit, sie jedoch die Umrisse ihrer Peiniger erkennen
und somit den schrecklichen Schmerz erahnen ließ, der in ihr
aufstieg, wenn sie anfingen, sie zu stechen und zu stoßen. Sie
kämpfte gegen den aufwallenden Schrecken an, der sie zu
überwältigen drohte, und schaffte es schließlich, ihn zurück in
die Dunkelheit zu drängen.
Ein Geräusch!
Die entsetzliche Furcht kehrte zurück, schien sie abermals zu
überwältigen, und als der Laut – nicht mehr als ein feines
Schnaufen – aus der Dunkelheit gekrochen kam, rüstete sie
sich für das Licht, das unweigerlich folgen würde.
Das Licht und der Albtraum.
Das Geräusch wurde lauter, und jetzt bildete sie sich ein,
leises Gelächter zu hören.
Das Licht ging an; die grelle Helligkeit peitschte ihre Augen.
Die Silhouetten von Fingern bewegten sich um sie herum,
schwarze Schatten vor dem Licht. Dann begann das Wispern,
Laute, die an Worte erinnerten, von ihrem Gehör aber nicht
wahrgenommen wurden.
Das Licht über ihr schien sich zu bewegen, doch bald wurde
ihr klar, dass sich nicht das Licht bewegte – sondern sie selbst.
Dann befand sie sich außerhalb des grellen Lichtscheins und
glitt ins Dunkel.
Das Dunkel des Albtraums.
Laurie war schließlich in eine Art
Weitere Kostenlose Bücher