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Mitternachtsstimmen

Mitternachtsstimmen

Titel: Mitternachtsstimmen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Saul
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nichts geschah – der Raum hinter der Tür war genauso
still wie finster.
Nach einer Weile überwand sich Laurie, griff um den
Türstock, tastete nach dem Lichtschalter und drückte ihn.
Der Kristalllüster, der gleiche wie in ihrem Zimmer,
leuchtete auf und vertrieb die Dunkelheit.
Der Raum war leer.
Leer und still.
Totenstill.
Etliche lange Sekunden stand Laurie in der Tür, während ihr
Blick jeden Winkel des Zimmers erforschte. Es war beinahe so
groß wie ihres, aber nicht nur mit einem Bett ausgestattet,
sondern auch noch mit einer Chaiselongue, einem Ohrensessel,
einem Sekretär und einem Tisch.
Alle diese Möbel waren unter weißen Leintüchern verborgen, um sie gegen Staub zu schützen.
Der Raum machte den Eindruck, als hätte ihn seit Jahren
niemand mehr betreten.
Kein Mensch befand sich darin – kein Wispern oder Kichern
oder Lachen war zu hören, kein Schlurfen von Füßen.
Sie blickte einfach in ein unbewohntes Zimmer.
Also war es doch nur ein Traum gewesen – ein Streich, den
ihre Fantasie ihr gespielt hatte.
Leise schloss sie die Tür, ging zurück in ihr Zimmer, schloss
auch hier die Tür und verriegelte sie, ehe sie wieder in ihr Bett
schlüpfte.
Und lag noch gut eine weitere Stunde wach, verfolgt nicht
nur von den seltsamen Geräuschen, die aus der Dunkelheit
gekommen waren, sondern auch von den Geschichten, die sie
lange hinter sich gelassen zu haben glaubte.

14. Kapitel
    Die Stimmen schwebten noch immer spürbar im Raum, als
Laurie langsam erwachte und sich fühlte, als hätte sie die ganze
Nacht überhaupt kein Auge zugetan. Doch die Morgensonne,
die von Osten her in ihr Zimmer flutete, brachte die
wispernden Stimmen rasch zum Schweigen, und als sie aus
dem Bett stieg und zum Fenster ging, um hinunter in den Park
zu schauen, verschwanden die Ängste der vergangenen Nacht
endgültig. Sie zog ihren Morgenmantel an und hüpfte die
Treppe hinunter, und noch ehe sie den Treppenabsatz erreicht
hatte, roch sie schon den herrlichen Duft von gebratenem
Speck. Sie folgte dem Duft in die Küche und erwartete, ihre
Mutter am Herd stehen zu sehen.
Stattdessen stand dort Tony Fleming.
     
Plötzlich unsicher, blieb Laurie in der Küchentür stehen.
    Was sollte sie jetzt tun?
Warum hatte sie auf einmal das Gefühl, als gehörte sie hier
nicht her?
Auf Mustique war das ganz und gar nicht so gewesen. Dort
war Tony beinahe jeden Morgen als Erster aufgestanden, und
gewöhnlich war Laurie die Nächste gewesen. Meist saß er im
Wohnzimmer, trank seinen Kaffee und blickte aufs Meer
hinaus. Sie hatte sich dann ein Glas von dem frisch gepressten
Orangensaft eingegossen, den die Köchin immer auf die
Anrichte vor der Küche stellte, und anschließend hatten Tony
und sie Pläne für den Tag geschmiedet.
Aber an diesem Morgen war auf einmal alles anders. Sie
waren nicht mehr auf Mustique, und das hier war nicht das
Haus, das sie für zwei Wochen gemietet hatten. Das hier war
Tonys Wohnung und Tonys Küche und plötzlich wusste Laurie
nicht, wie sie sich verhalten sollte. Sollte sie einfach in die
Küche gehen? Sie schaute sich nach einem Krug mit
Orangensaft um, fand aber keinen.
Sollte sie im Kühlschrank nachsehen, wie sie es Zuhause
getan hätte?
Oder zurück in ihr Zimmer gehen, bis ihre Mutter
herunterkäme?
Doch noch ehe sie eine Entscheidung fällen konnte, drehte
Tony sich zu ihr um, lächelte sie an und nickte Richtung
Kühlschrank. »Kein Personal«, sagte er. »Nur wir. Im
Kühlschrank steht Orangensaft. Leider nicht frisch gepresst,
nachdem wir uns jetzt selbst versorgen müssen.«
Laurie machte den Kühlschrank auf und fand einen Karton
mit Orangensaft, der noch ungeöffnet war.
»Soll ich dir verraten, wo die Gläser stehen, oder willst du
selbst herumstöbern, bis du sie findest?«
Laurie sah sich in der Küche um, die größer war als ihr
Wohnzimmer in der 76. Straße. Vor einem der Fenster stand
ein Tisch mit vier Stühlen, und von der Spüle aus sah man
hinunter in den Park. Es gab zwei große Öfen, einen Herd mit
sechs Flammen und eine Arbeitsfläche, an der leicht ein
Dutzend Köche hätten arbeiten können. In ihre alte Küche
hatten sie zu viert gerade so hineingepasst, und das einzige
Fenster hatte in einen schmalen Schacht hinausgeführt, den der
Hausmeister als Lichtschacht bezeichnete, obwohl dort kaum
genug Licht hereinfiel, um entscheiden zu können, ob draußen
Tag war oder Nacht. Laurie musterte die Reihe von Hängeschränken über der ganzen Länge der

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