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Mitternachtsstimmen

Mitternachtsstimmen

Titel: Mitternachtsstimmen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Saul
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du
mit deinen Freundinnen gestern gesprochen hast? Ich kann
zwar nicht von den Lippen ablesen, aber ich kann deutlich
erkennen, wenn eine Frau die Renovierung einer Wohnung für
angebracht hält. Also, lass deiner Fantasie freien Lauf, nur
mein Arbeitszimmer bleibt bitte unangetastet. Das ist der
einzige Raum, den ich so mag, wie er ist.«
Laurie war sofort Feuer und Flamme, ihr Zimmer umzugestalten, Ryan aber schwieg trotzig, und der Ausdruck auf
seinem Gesicht sagte Caroline, dass er sich auch weiterhin
äußerst unkooperativ zeigen würde. Er hatte weder gewollt,
dass sie Tony heiratete, noch dass sie in diese Wohnung zogen.
Und er schien wild entschlossen, sich auch gegen alle gut
gemeinten Vorschläge von Tony zu sperren.
Und Caroline wusste nicht, wie sie das ändern könnte.
Mit einem skeptischen Blick betrachtete Ryan die Fahrstuhlkabine. »Was ist, wenn das Seil reißt?«
    »Das reißt nicht«, erwiderte Caroline schroff, die ihre
Verstimmung nicht verbergen konnte. Sie war mit den Kindern
auf dem Weg in die Stadt, um Farben und Tapeten für ihre
Zimmer auszusuchen. Ryan hatte seit mindestens drei Stunden
kaum ein Wort gesprochen und nur verstockt dagesessen, als
Tony ihn dazu animieren wollte, sein Zimmer auszumessen.
    »Du musst genau wissen, wie groß dein Zimmer ist«, hatte
Tony ihm erklärt. »Wenn du einen Teppich findest, der dir
gefällt, musst du doch wissen, ob er auch passt, stimmt’s? Und
du musst ausrechnen, wie viele Rollen Tapete du brauchst, und
wo ein Möbelstück hinpasst und wo nicht. Warte, ich zeige dir,
wie man so was macht.« Er hatte irgendwo einen Block mit
Millimeterpapier, Lineal und Maßband gefunden und sich dann
mit dem Jungen hingesetzt, um ihm beizubringen, wie man die
Raummaße auf Millimeterpapier überträgt.
    Ryan hatte ihm zugesehen, aber die Feindseligkeit gegenüber
seinem Stiefvater übertraf jegliches Interesse, das er für die
Sache hätte aufbringen können, und so weigerte er sich
beharrlich, die Messarbeiten selbst in die Hand zu nehmen. Die
meiste Zeit lümmelte er auf seinem Bett und rammte die Faust
in den Handschuh, den Mr. Albion ihm geschenkt hatte. Oder
genauer gesagt bis zu dem Moment, als Tony Flemings Finger
sich plötzlich so fest um sein Handgelenk schlossen, dass es
wehtat.
    »Hör mir zu, wenn ich mit dir rede, Ryan«, sagte er, und
obwohl er leise sprach, lag eine Härte in seiner Stimme, die
Ryan zurückweichen ließ. Doch Tonys Blick hielt den seinen
genauso unerbittlich fest wie seine Finger, die ihm schier das
Handgelenk zerquetschten. »Du und ich, wir beide werden
dieses Projekt zu Ende führen, und du wirst zumindest so tun,
als ob du daran interessiert wärst. Verstanden?«
    Ryan nickte nur. Die kalte Stimme seines Stiefvaters, der
harte Blick und sein fester Griff hatten ihm die Sprache
verschlagen.
    Caroline und Laurie hatten sich derweilen auf Lauries Zimmer
konzentriert, und als sie fertig waren, war auch Tony so weit
und hatte Ryan mit einer Mappe ausgestattet, die nicht nur
einen Plan der Bodenfläche enthielt, sondern auch detaillierte
Diagramme der vier Wände. Der Schrank war eingezeichnet,
ebenso die Position der Steckdosen, und es war vermerkt, wie
viel Raum die Türen einnehmen würden, wenn man sie öffnete.
Als Caroline darauf bestanden hatte, dass Ryan sich bei Tony
für dessen Mühe bedankte, hatte der Junge etwas genuschelt,
das sich zwar nicht wie ein »Danke schön« anhörte, das Tony
aber bereitwillig akzeptierte. Und jetzt, als Caroline die
altmodische Fahrstuhltür aufzog, fand ihr Sohn wieder etwas,
worüber er sich beklagen konnte. Den Fahrstuhl!
    »Ich gehe zu Fuß«, erklärte er schließlich, ohne sich um die
wütenden Blicke seiner Schwester zu kümmern.
»Wie du meinst«, seufzte Caroline, die keine Lust hatte, sich
mit Ryan über die Benutzung des Fahrstuhls zu streiten. »Wir
sehen uns unten in der Lobby.« Laurie und sie stiegen in die
Kabine, und als Ryan die Treppen hinabflitzte, drückte Laurie
auf den Knopf mit dem Aufdruck LOBBY. Es gab ein
surrendes Geräusch, schepperte ein paar Mal, dann ruckte die
Kabine und für einen Moment hatte Caroline Angst, dass Ryan
Recht gehabt haben könnte. Eine Sekunde später schien sich
der Aufzug jedoch auf seine Bestimmung zu besinnen und
begann langsam nach unten zu schweben. Als er schließlich
mit einem Ruck zum Stehen kam, erwartete Caroline, Ryan
grinsend vor der Tür stehen zu sehen.
Stattdessen stand er

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