Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mitternachtsstimmen

Mitternachtsstimmen

Titel: Mitternachtsstimmen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Saul
Vom Netzwerk:

verändert. Okay?«
Laurie nickte. Doch ein paar Minuten später, als sie wieder
allein im Dunkeln lag, begannen die Erinnerungen klammheimlich am Rande ihres Bewusstseins herumzuschleichen,
und sie glaubte beinahe, die Stimmen wieder wispern zu hören.
Die Stimmen zu hören und diese grässlichen Finger zu
spüren, die gegen ihren Körper drückten, sie stupsten, sie
erforschten.
Aber das war nur ein Albtraum gewesen.
Oder nicht?
»Alles in Ordnung?«, fragte Tony, als Caroline endlich wieder
in ihr Bett schlüpfte.
    »Ja, alles im Lot«, antwortete sie. »Sie hat nur –« Sie hielt
inne, da ihr wieder einfiel, dass Tony gerade in dem Moment
ins Schlafzimmer zurückkam, als sie aufgewacht war. »Was
hast du denn gemacht?«, fragte sie ihn. Tony sah sie
verständnislos an. »Als du vorhin aufgestanden bist.« Für den
winzigen Bruchteil einer Sekunde sah sie etwas in Tonys
Augen aufflackern, was aber so schnell verschwunden war,
dass sie am Ende gar nicht mehr sicher war, ob sie sich nicht
getäuscht hatte. Zudem sah er auf einmal so anders aus – die
gesunde Bräune, die er aus Mustique mitgebracht hatte, war
fast zur Gänze verschwunden, und die Haut unter seinem Kinn
schien zunehmend schlaffer zu werden.
    Aber dann lächelte er sie an und legte einen Finger an ihre
Nasenspitze. »Ich hatte Hunger«, sagte er. »Ich glaube, der
Fisch war nicht genug, deshalb habe ich mich über die
restlichen Makkaroni hergemacht.« Er legte den Arm um ihre
Schultern. »Mit den Kindern alles in Ordnung?«
    Caroline nickte, und einen Moment später schaltete Tony das
Licht aus. Kurz darauf hörte sie ihn gleichmäßig atmen, er war
eingeschlafen, doch sie selbst war hellwach. Natürlich hatte
Tony ihr die Wahrheit gesagt – er war einfach hungrig gewesen
und hatte sich was zum Essen geholt. Wenn etwas anderes
passiert wäre, hätte Laurie es ihr erzählt.
    Wenn Laurie geschrien hatte, warum hatte Tony das denn
nicht gehört?
Er war unten in der Küche gewesen, und in diesem Gebäude
war die Isolation nahezu perfekt. Er hatte nichts gehört, und
sicherlich auch nichts Unrechtes getan.
Und obwohl sie sich einzureden versuchte, dass hier nichts
passiert war, was nicht ihrer Fantasie entsprungen wäre, hatte
sie immer noch Tonys seltsamen Blick vor Augen – dieser
Blick, der schneller verschwunden als gekommen war – und
der seine Worte Lügen strafte.
Und dazu dieser ungesunde Teint seiner Haut.
Es gab etwas, da war sie sich ganz sicher, was er ihr nicht
erzählt hatte.
Aber was?

19. Kapitel
    Abermals warf Nate Rosenberg einen besorgten Blick auf die
Zeitanzeige rechts auf der unteren Symbolleiste seines
Monitors. 8:32, genau zwei Minuten später als beim letzten
Mal, als er die Uhrzeit checkte. Dann stand er auf und beugte
sich über den Raumteiler, der seinen Arbeitsplatz von ihrem
trennte.
    Ihr Stuhl war noch immer leer.
Was ja eigentlich kein Problem war, redete er sich ein. Es
gab jede Menge Gründe dafür, warum Andrea sich verspätet
hatte. Sie könnte zum Beispiel verschlafen haben, krank
geworden sein, sie könnte einen Arzttermin haben oder beim
Friseur sitzen. Oder irgendwo in der Stadt unterwegs sein, um
nach einem ihrer Schützlinge zu sehen. Nur war in den sechs
Jahren, die sie hier Schreibtisch an Schreibtisch arbeiteten,
keiner von ihnen beiden jemals zu spät gekommen. Weder
wegen Krankheit, Terminen, Verschlafen oder irgendwelchen
anderen Gründen. Tatsächlich hatte sich zwischen ihnen ein
Wettkampf entwickelt, von der Art, wie ihn nur zwei
unverbesserliche Bürokraten ausfechten konnten.
»Ich wette, ich scheide mit einer besseren Beurteilung aus
diesem Unternehmen als du«, hatte Andrea vor Jahren beim
gemeinsamen Lunch zu ihm gesagt, nachdem sie festgestellt
hatten, dass sie die einzigen zwei Mitarbeiter waren, die nie
einen Tag gefehlt hatten. »Ich halte dagegen«, hatte Nate
zurückgegeben. »Meine Zeugnisse sind makellos, seit dem
Kindergarten.« Was Andrea nicht sonderlich beunruhigte,
nachdem sie ihm erklärt hatte, dass sie immer noch die Masern
und Windpocken auf ihrer Seite hatte, da sie die schon gehabt
hatte und er sie noch bekommen könnte. Und jetzt, an diesem
Montagmorgen, war sie immer noch nicht im Büro.
Dass sie verschlafen haben oder krank geworden sein
könnte, hatte Nate bereits abgehakt – er hatte bei ihr zu Hause
angerufen, und der Anrufbeantworter hatte sich wie immer
nach dem achten Klingeln eingeschaltet. Eine Bandansage,

Weitere Kostenlose Bücher