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Mitternachtsstimmen

Mitternachtsstimmen

Titel: Mitternachtsstimmen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Saul
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unterbrach sie, doch dann fuhr sie fort:
»Es tut so weh, Mom, und als ich aufgewacht bin, da war ich
voller Blut und –«
Während sie den ängstlichen Worten ihrer Tochter lauschte,
nahm die Erinnerung an Tony, der gerade erst in ihr Schlafzimmer zurückgekehrt war, Gestalt in ihrem Bewusstsein an.
Sie umfasste Lauries Handgelenk und sah ihr ganz fest in die
Augen. »War das Tony?«, fragte sie mit einer Stimme, so leise,
dass sie kaum hörbar war. »Hat Tony –« Sie zögerte kurz,
zwang sich aber dazu, den Satz zu beenden: »Hat er dir etwas
angetan?«
Die Angst in Lauries Augen wich allmählich einer leichten
Unsicherheit, und als auch die restliche Panik ihre Klauen
lockerte, begriff sie allmählich, dass sie geträumt haben
musste. »Nein, nicht Tony. Es war eher so, als wären viele
Leute in meinem Zimmer gewesen«, sagte sie. »All die
Nachbarn.« Jetzt lag ein Flehen in ihrem Blick. »Aber es war
doch nur ein Traum, oder? Ich meine, sie konnten doch gar
nicht alle hier bei mir gewesen sein, habe ich Recht?«
Caroline sagte erst einmal nichts, während sie versuchte, die
Einzelteile des Geschehenen zu einem verständlichen Ganzen
zusammenzufügen. Die Schmerzen … das Blut …
Und plötzlich ergab das alles einen Sinn, und sie begriff.
»Deine Periode«, sagte sie erleichtert. Sie zog ihre
schluchzende Tochter in die Arme und wiegte sie zärtlich. »Es
ist alles gut«, sagte sie. »Das ist ganz normal, Schatz. Du hast
deine Periode bekommen, und alles Übrige war ein nur
schlechter Traum.«
»Aber es war nicht wie ein Traum«, jammerte Laurie. »Die
haben Dinge in mich hineingesteckt, und jetzt blute ich und –«
»Es ist alles gut, mein Liebes«, unterbrach Caroline sie. »Du
hast nur Unterleibskrämpfe gehabt, weil du deine Periode
gekriegt hast.«
Laurie betrachtete die Blutflecken auf der Bettwäsche, die
plötzlich, seit ihre Mutter bei ihr war, gar nicht mehr so
schrecklich aussahen.
Und die Schmerzen in ihrem Bauch – die sie vor ein paar
Minuten noch beinahe zerrissen hätten – waren fast
abgeklungen.
»Es tut mir Leid«, wisperte sie. »Ich wollte dich nicht
wecken. Aber ich hab einen solchen Schrecken gekriegt und –«
»Das ist doch ganz verständlich«, beruhigte Caroline ihre
Tochter und legte ihr einen Finger auf die Lippen, um ihre
Entschuldigungen zu stoppen.
»Aber ich komme mir so blöd vor«, jammerte Laurie weiter.
»Das musst du überhaupt nicht«, versicherte ihr Caroline.
»Abgesehen von dem Schrecken, hätte es viel Schlimmer
kommen können. Mich hat meine erste Periode im Schwimmbad überrascht. Ich flüchtete mich auf die Toilette, und meine
Freundin Emily Peterson musste mir Binden besorgen,
während ich mich dort versteckte.« Laurie schaute ihre Mutter
an, unsicher, ob sie ihr glauben sollte oder nicht, doch Caroline
war bereits wieder vom Bett aufgestanden. »Ich mache dir
einen Vorschlag: Du bleibst jetzt einfach schön liegen, und ich
beseitige die ganze Bescherung und sorge dafür, dass Tony hier
nicht herumschnüffelt und wissen will, was los ist.« Sie
zwinkerte Laurie zu. »Es gibt einige Dinge, mit denen Männer
nicht so toll zurechtkommen. Bin gleich wieder da.«
Eine halbe Stunde später war alles vorbei. Das Bett war
frisch bezogen, die blutige Bettwäsche in der Waschmaschine,
und Laurie lag wieder im Bett.
»Jetzt bist du nicht mehr mein kleines Mädchen, fürchte
ich«, sagte Caroline beinahe etwas wehmütig, als sie Laurie
einen Gutenachtkuss gab. »Ist alles okay mit dir?«
Laurie nickte. »Entschuldige, dass ich mich wie ein Baby
benommen habe.«
»Das hast du nicht. Du hast ganz normal auf etwas reagiert,
was ebenfalls völlig normal ist, was einem aber auch einen
gehörigen Schrecken einjagen kann, obwohl man darüber
schon etliche Male mit seiner Mutter gesprochen hat. Ich habe
damals gedacht, ich hätte mich beim Tauchen im Schwimmbecken verletzt, und obwohl Emily dabei war, als ich meine
erste Blutung hatte, glaubte sie drei Monate später, als es auch
bei ihr so weit war, dass sie verbluten würde. Also zerbrich dir
jetzt darüber nicht weiter den Kopf, sondern freunde dich mit
dem Gedanken an, dass du ab jetzt die nächsten dreißig oder
vierzig Jahre lang jeden Monat da durchmusst, und ich kann dir
verraten, dass das mitunter sehr nervig sein kann. Aber es ist
nicht das Ende der Welt, und du wirst damit zurechtkommen.
Es bedeutet nur, dass du erwachsen wirst, und dein Körper sich

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