Mittland 2 - Das Feuer der Drachen: 1.100 Seiten Fantasy (German Edition)
den Jäger abwarfen, der sich dann seiner Haut erwehren musste.
Laicos würde so etwas nie tun. Er gehörte zu Nashka , wie sie zu ihm. Er vertraute ihr , und sie vertraute ihm.
Der Keiler rannte im Zickzack, wobei er quiekte und schnaufte. Es sah aus, als wolle er sich in den alten , verh olzten Bereich des Waldes davon machen , und Nashka sah das Dornengestrüpp, in das sie dem Tier nicht folgen würde. Zu groß war die Gefahr, dass Laicos sich verletzte , und um es zu überspringen, wirkte die Ansammlung trockener Dornen und verschlungener Äste zu hoch.
D er Keiler nahm diese Möglichkeit, sein Leb en zu retten, nicht wahr. Statt dessen bremste er und fuhr wild herum. Er senkte den kantigen Schädel und scharrte mit den Vorderpfoten.
»Komm nur! Greife an, Keiler!«, schrie Nashka und spannte den Langbogen. Sie zügelte Laicos , und das Pferd stand sofort still, lediglich sein zitternder Leib zeugte von der Kraft, die ihn beherrschte. Sie konzentrierte sich auf ihr Ziel, vergaß den Hengst unter sich, den Wald, die Bäume und Büsche – sie war der Pfeil, sie wurde zum singenden Tod. Ihr Spannarm zitterte nicht, als sie die sechzig Pfund fast spielerisch zog, und die Pfeilspitze ruhte in ihrer Position wie festgenagelt. Sie wählte den Ankerpunkt, wo die Zughand den maximalen Auszug der Sehne erreichte und wusste, dass der Pfeil nun mit höchster Geschwindigkeit sein Ziel erreichen würde.
»Haaaah!«, schrie sie gegen den Wind und starrte dem schwarzen Koloss direkt in die Augen, während Laicos auf das Tier zuraste. Der Pfeil würde in weniger als einem Wimpernschlag mitten zwischen diesen hämisch glühenden Augen stecken , und auf Burg Crossol würden die Köche und Mägde eine Menge zu tun bekommen.
Laicos stürzte!
Liebe Güte, er stürzte!
Es ging schneller, als ein Herzschlag dauerte. Der Hengst kam wie eine Urgewalt zu Fall, kreischte, fiel zur Seite, rutschte über Blattwerk und aus dem Boden ragende versteinerte Wurzeln, riss sich dabei Haut und Fleisch vom Körper und krachte gegen einen Baum, wo er zuckend liegen blieb, den schmalen Kopf auf und nieder schlagend, die Augen grell geweitet, Schaum vor den Nüstern, die Zähne auseinandergerissen. Seine Beine stießen ins Leere , und sein markerschütterndes Brüllen erfüllte den Wald.
Nashka wurde weggeschleudert, wobei ein scharfer Schmerz durch ihren Rücken fuhr und rollte in den Dornenbusch, nur wenige Schritte entfernt vom Keiler, der noch immer dort stand, als sei nichts geschehen. Der Bogen riss Nashka den Oberschenkel auf, bevor die ihn loslassen konnte , und der Pfeil zerbrach unter ihrem Körper, den Göttern sei Dank mit der Spitze nach unten.
Laicos zuckte, dann knallten seine Beine auf den Waldboden , und abgesehen von einem pfeifenden Stöhnen, welches seine Nüstern blähte und die weichen Lippen plusterte, regte er sich nicht mehr.
Nashka ahnte, dass ihr Hengst sich das Genick gebrochen hatte und wollte zu ihm. Sie versuchte, sich aufzurichten , und erneut zuckte ein Schmerz durch sie, der nicht von dieser Welt war. Sie ließ sich schwer atmend fallen und fluchte. Ihr K örper war mit Dornen gespickt, während der Keiler drehte sich langsam zu ihr um drehte .
Sehr langsam!
Das schwarze Tier ignorierte das sterbende Pferd und konzentrierte sich auf die Frau. Seine Äuglein starrten Nashka an, als suchten sie eine Antwort auf eine Frage, die sich das Tier erst noch stellen musste.
Ich bin tot! , dachte Nashka.
Gleich würde sie von den Hauern des Keilers aufgeschlitzt werden. Das riesige Tier würde sich über sie hermachen , und dessen spitze Zähne würden ihr Fleisch zerreißen. Wald keiler fraßen jede Art Fleisch und machten auch vor Menschen nicht Halt.
Für einen Moment haderte Nashka damit, dass sie alleine auf die Jagd geritten war, nicht mit Begleitern, wie es sein sollte. Doch so war es stets gewesen. Sie tat, was sie wollte und setzte ihren Kopf durch. Was gab es Schöneres, als mit dem erlegten Wild im Schlepp zurück auf die Burg zu reiten oder Bedienstete anzuweisen, das Wild aus dem Wald zu holen, um daraus ein Mahl zu bereiten.
Dann genoss sie die bewundernden Blicke der Männer und das verstohlene Wispern der Weiber. Und sie genoss das Zürnen ihrer Eltern, wobei si ch besonders ihre Mutter hervor tat, wohingegen ihr Vater eine gewisse Bewunderung nicht verhehlte, während er murmelte, sie sei ganz seine Tochter, eine wahre Crossol. Nicht mehr lange und sie würde über die Nordlande herrschen, was
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