Mittland 2 - Das Feuer der Drachen: 1.100 Seiten Fantasy (German Edition)
einigen Mut erforderte, denn die Sitten hier oben im Norden waren hart und die Regeln unbarmherzig. Die Witterung war rau und die Menschen auch.
Man sagte, während der letzten Atemzüge ziehe das Leben an einem vorbei, was nicht beweisbar war, da niemand darüber sprechen konnte. War das nur ein Mythos oder würde ihr Ähnliches geschehen?
Der Keiler scharrte mit den Vorderpfoten und Laub spritzte. Er senkte den Schädel und sein breiter Körper bebte vor Freude. Er würde seine Peinigerin töten. So war die Jagd. Es konnte nur einen Gewinner geben. Und er, der Keiler, durfte zurück zu seiner Sau und den Frischlingen.
»Du hast es verdient«, flüsterte Nashka. »Du bist ein tapferes Tier. Du hast dich mir entgegen gestellt.«
Im gleichen Augenblick überkam sie tiefe Trauer um Laicos, der schwieg und dessen Augen gebrochen waren. Der Hengst war ihr Freund gewesen , und nur die Götter wussten, was ihn hatte straucheln lassen.
Das Schicksal gehe stets seinen Weg, hatte Vater gemeint, als ihr Brüderchen gestorben war. Die Götter hatten es so gewollt. Und nun hatte sich das Schicksal entschieden, Lady Nashka Crossol zu sich zu nehmen, obwohl sie erst zweiundzwanzig Jahre gelebt hatte. Erstaunt stellte die junge Frau fest, dass eine Art innerer Frieden sie wie eine warme Decke umhüllte.
Man sagte, in großer Gefahr dürfe man mit den Göttern gehen, jedoch nur bis über die Brücke. Und dann? Ein scharfer Schmerz züngelte durch Nashka und etwas in ihr revoltierte, wehrte sich, begehrte auf. Nur bis über die Brücke. Nicht bis ins Götterreich! Noch nicht!
Es gab stets eine Möglichkeit.
Alles das war ihr durch den Kopf geschossen, während der Keiler Blätter von sich weg fegte .
Und Nashka rollte sich auf die Seite. Dorne n stachen in ihre Haut und warmes Blut lief über ihren Körper. Sie achtete nicht darauf, sondern versuchte, sich weiter und weiter in das Gestrüpp zu wühlen. Der Keiler würde ihr nicht folgen. Er würde die fingerlangen Dornen fürchten, doch sie fürchtete die Dornen nicht. Lieber würde sie sich das Herz aufspießen, als diesem Keiler seinen Triumph zu gönnen.
Stöhnend und heulend schob sie sich immer tiefer in s Gebüsch. Ihre Beine wollten nicht gehorchen, ihre Brust wurde vor Schmerzen fast zerrissen, ihr Rücken glich einem flammenden Inferno. Und die Dornen stachen in ihren Nacken, bohrten sich in ihre Schädeldecke, kratzten Haut von ihren Armen, die nicht lederbewehrt waren wie der Rest des Körpers. Doch auch das Leder konnte auf Dauer den Spitzen nicht standhalten. Es handelte sich um dünnes, weiches Leder, und als sich die ersten Dornen in ihren Rücken bohrten, war Nashka kurz davor, das Bewusstsein zu verlieren, so sehr litt sie.
Der Keiler sprang!
Ein kurzer Sprung nur, dann noch einer – und hielt vor dem Dornengestrüpp inne. Unsicher lief er hin und her, dabei brüllte er und schnaubte, wobei Speichel aus seinem Maul lief und die Zähne blitz ten. Er schob seinen Schädel ins Gestrüpp , und seine Zähne schnappten auf und zu.
Nashka zog die Beine an ihren Körper und entging um Haaresbreite einem Biss, der sie den Fuß gekostet hätte. Der Keiler, angestachelt vom Blutgeruch und vom wilden animalischen Jagdtrieb, schob seinen Körper immer weiter nach vorne . Er dampfte vor Mordlust , und seine Augen glühten wie die eines Dämons.
Nashka ahnte, dass das Tier sie töten würde, wenn sie sich nicht weiter nach hinten schob. Sie wischte sich Blut von den Augen und spürte, dass ihr ganzes Gesicht warm und feucht war. Ein Ast schnappte von oben und ratschte über ihr Gesicht, wobei ein Dorn ihre Nase nur um eine Blattbreite verfehlte, dafür ein anderer ihre Wange aufriss. Nashka keuchte vor Schmerzen , und der Keiler grunzte wie besessen. Immer näher schob er seinen Körper in das Gestrüpp. Schon längst mussten ihn die Dornen peinigen, doch sein Schmerz schien vom Trieb gedämpft.
Nashka heulte auf . Die Schmerzen waren unerträglich. Nun ruckte sie hoch, um sich Platz zu verschaffen , und Äste wischten unter ihr Hinterteil. Als sie zurückfiel, bohrten sich Dornen in ihr Fleisch und sie hatte das Gefühl, ihre Därme würden zerstochen. Bei den Göttern, wie lange würde sie das noch aushalten?
Ihr ganzer Körper bestand aus Brennen und Blut und Feuer! Zwei, drei, vier Dornen bohrten sich in ihren Hinterkopf, andere wieder schienen sich um ihre Arme zu schlingen , und Nashka wusste, dass sie sich selbst tötete, wenn sie weiter in das Gestrüpp
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