Mittland 2 - Das Feuer der Drachen: 1.100 Seiten Fantasy (German Edition)
sich gleich vor Angst in die Hose, denn er will keinen Ärger kriegen. Du weißt doch, dass wir den Tabak von Russal geliefert bekommen und das auch nur, wenn das Schiff einläuft.«
Wieder Stille.
Nichts geschah.
Frethmar erwartete, jeden Moment den grauen, endlich wieder trockenen Himmel über sich zu sehen. In die Gesichter der Wachen zu starren.
»Hüh!«, rief Agaldir.
Man hatte ihn durchgewunken.
Frethmar atmete hörbar aus.
Der Karren holperte über das Pflaster, die Hufe von Liese trappelten.
Wenig später wurde die Plane zurückgeschlagen. »Kommt raus. Direkt rechts neben uns führt eine Treppe in den Turm. Ich vermute, man hält Steve dort fest. Ich weiß, dass dort Gäste untergebracht werden. Wie einen Gefangenen wird man meinen Jungen nicht behandeln, dann wäre er im Verlies.«
Frethmar und Connor huschten von der Ladefläche und versteckten sich im Schatten. Entgeistert starrte Frethmar den Blinden Magister an. »Dein Rock! Dein karierter Rock! Er wird dich verraten!«
Agaldir grinste. »Meine Kräfte wachsen. Ich habe einen Zauber um mich gewoben. Jeder wird ab sofort in mir nur noch sehen, was er zu sehen meint. Leider hat das bei den Wachen noch nicht richtig funktioniert. Doch nun ist der Vorgang abgeschlossen und niemand wird mich erkennen.«
»Also – für mich bist du Agaldir«, sagte Connor.
»Na eben«, sagte der Alte kühl. »Nur für dich und Fret.«
»Krass«, murmelte Frethmar.
»Und was ist, wenn wir Steve dort oben im Turm nicht finden?«, fragte Connor.
»Er ist dort. Ich spüre es«, gab Agaldir zurück. »Es wird Zeit, dass ihr in mir wieder den Blinden Magister seht.« Der Alte zog ein Gesicht. »Seid vorsichtig. Es gibt nur eine Wendeltreppe nach oben. Es könnte sein, dass ihr Wachen begegnet, was wir nicht hoffen wollen. Und nun haltet zusammen, wie ihr es stets getan habt, und holt Steve aus dem Turm.«
Im selben Moment surrte etwas wie ein angriffslustiger Moskito.
Frethmars Blick huschte zur Geräuschquelle und die Axt lag gut in seinen Händen.
Connors Augen waren weit aufgerissen. Seine Finger krallten sich um etwas unter seinem Gesicht, das zu einer verzweifelt verzerrten Fratze erstarrte. Aus seinem Mund quoll Blut. In seinem Hals steckte ein Pfeil.
»Allmächtiger Gordur ...«, gurgelte er. Und brach zusammen.
19
Hargor Othos dachte nach.
Das hatte er öfters versucht, aber nun schmerzte es besonders. Er hatte das Gefühl, sein Schädel platze. Sharkan hatte ihm einig es gesagt oder besser – gedacht , und der junge Ork versuchte alles in eine Reihenfolge zu bringen, die er verarbeiten konnte. Es war sehr anstrengend.
Er sei ein besonders intelligenter Ork, hatte Sharkan gedacht. Er sei anders als die anderen Orks und der Drache hatte ihm versprochen, ihn mächtig zu machen. Indem Hargor auf ihm ritt und Dinge tat. Das überstieg Hargors Auffassungsgabe, doch er bemühte sich. Bemühte sich sehr. Und begriff, dass er von Sharkan abhängig war, wollte er mächtig werden. Er würde den schwarzen Vierköpfigen reiten und dennoch würde Sharkan seine eigenen Entscheidungen treffen. Das, was Hargor über Drachenreiter wusste, klang anders. Der Reiter war Herr oder Herrin über den Drachen!
Eine blitzartige Erkenntnis.
Es war, als hätte sich eine Tür geöffnet zu etwas, dass man – Verstand? – nennen mochte.
Hargor widmete sich zufrieden seiner Axt. Sie war an der Kupferschneide ausgefranst. Seit heute Morgen war er dabei, die Schneide wieder glatt und scharf zu schleifen. Er blickte zu Sharkan, der vor der Höhle lag, die Köpfe im Gras ruhend. Die durchscheinenden Flügel waren angelegt. Der Drache wirkte entspannt. Acht kalte Augen verfolgten jede Regung des Orks.
»Ich glaube, ich bin wirklich ein kluger Ork«, murmelte Hargor und grinste. »Ich kann intelligent denken.«
Seit einiger Zeit fühlte er sich von Sharkan beobachtet, als würde das kluge Tier jeden seiner Handgriffe prüfen. Es war noch nicht lange her, seitdem sich Sharkan von einem übermütigen Jungtier in einen beängstigend mächtigen Drachen entwickelt hatte. Genau genommen war Sharkan noch immer ein Baby, jedoch seine körperliche Präsenz war die eines ausgewachsenen Kolosses. Er hatte alles Verspielte abgelegt und verfügte über einen Scharfsinn, der den eines jeden Orks bei weitem übertraf.
Hargor fragte sich, warum das Schicksal ausgerechnet ihn dazu auserkoren hatte, das schwarze Ei zu finden. Er hatte es in die Glut eines Feuers geworfen und abgewartet.
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