Mittsommerzauber
Großonkels Johan. Sie...«
Viveca war aufgestanden. Sie sah Katarina nicht an, als sie keuchend sagte:
»Tut mir Leid, dass Sie sich die Mühe gemacht haben, hierher zu kommen. Ich kann Ihre Dienste leider nicht in Anspruch nehmen. Und jetzt entschuldigt mich bitte, ich habe Kopfschmerzen. Ich muss mich ein wenig hinlegen.«
Sie setzte ihre Sonnenbrille auf und ging langsam durch den Garten auf das Haus zu. Marita zögerte einen Moment, dann ging sie Viveca nach, Richtung Haus.
Sven und Katarina blieben zurück. Katarina nicht nur ratlos, sondern auch echt sauer.
»Was war das denn? Muss ich das verstehen?«
Sven konnte nur den Kopf schütteln. Er sah seiner Mutter nach, die, ohne sich noch einmal umzudrehen, jetzt im Haus verschwand. Er begriff auch nicht, was da gerade geschehen war.
»Ehrlich gesagt, ich weiß auch nicht, was das zu bedeuten hat. Tut mir Leid. Ich kann nur sagen...«
»Kann es sein, dass Sie sich über mich lustig machen? Ich meine, wenn Ihre Mutter kein Zutrauen in Ihre Entscheidungen hat, wieso haben Sie mich dann erst herkommen lassen?«
»Es tut mir wirklich sehr Leid.«
Sven war ehrlich entsetzt. Dieser seltsame Abgang seiner Mutter war ihm zutiefst unverständlich. Was war nur in sie gefahren? So hatte sie sich ja noch nie benommen. »Ich werde mit meiner Mutter reden. Ich bin sicher, das Ganze hat nichts mit Ihnen zu tun.« Er konnte nur hoffen, dass Katarina sich von Vivecas Affront nicht zu sehr beeindrucken ließ.
Katarina aber war von Vivecas Zurückweisung natürlich tief getroffen. Alle ihre Hoffnungen, die sie für das Tärna gehegt hatte, schienen sich in Luft aufgelöst zu haben.
»Für Sie mag es ja egal sein, wer bei Ihrem Fest für das Essen zuständig ist. Aber es gibt Leute, die sind auf einen solchen Auftrag angewiesen. Denen ist es nicht egal, ob sie so einen Auftrag bekommen oder nicht... Meine Tante zur Beispiel. Oder eine allein erziehende Mutter wie ich.«
Sven spürte, wie tief ihre Enttäuschung saß. Er wünschte, er hätte verhindern können, Katarina einer solchen Situation ausgesetzt zu haben. Und gleichzeitig zuckte er zusammen. Hatte er richtig gehört? Hatte sie gesagt, sie sei eine allein erziehende Mutter?
»Ich kann nur noch einmal sagen, dass es mir Leid tut. Ich werde meine Mutter sicher davon überzeugen können, Ihnen den Auftrag doch noch zu geben. Ich weiß, wie dringend...«
»Sie?« Katarina war versucht, ihre ganze Enttäuschung an ihm auszulassen. »Einer wie Sie weiß doch gar nichts.«
Mehr konnte sie in diesem Moment nicht sagen, ohne Gefahr zu laufen, in Tränen auszubrechen. Also machte sie, dass sie wegkam. Rannte fast durch den Garten davon. Sie hatte hier nichts zu suchen, das war ihr jetzt klar. Sie wollte nur so schnell wie möglich weg.
*
Viveca saß in einem taubenblau gepolsterten Lehnstuhl am Fenster des großen, hellen Schlafzimmers, das sie bewohnte. Sie liebte dieses Zimmer, seit sie hier als Kind gespielt hatte. Schon damals war dieses Eckzimmer mit dem phänomenalen Blick aufs Wasser ihr Zimmer gewesen. Die hohen Fenstertüren waren jetzt geöffnet, ein leichter Wind bewegte den dünnen weißen Vorhang. Sie spielte mit der Kopfschmerztablette, die ihr Marita zusammen mit einem Glas Wasser gebracht hatte. Sie musste sie nicht nehmen. Weil sie gar keine Kopfschmerzen hatte. Waren solche Notlügen erlaubt?, fragte sie sich. Oder war es etwa feige, sich aus einer unangenehmen Situation, in der man sich unversehens befand, mittels einer kleinen Unwahrheit zu befreien? Plötzlich wusste sie nicht mehr, ob es richtig gewesen war, nach Rörstrand zurückzukehren. Es hatte doch einen Grund gegeben, dass sie damals Hals über Kopf davongelaufen war. Mit gerade mal 18 Jahren. All die Jahre hatte genau dieser Grund sie von einer Rückkehr abgehalten. Hatte sie wirklich gedacht, das würde nun alles keine Rolle mehr spielen?
Es klopfte leise an die Tür. Sie wusste, das war Sven. Ihn hatte ihr heftiger Abgang sicherlich tief beunruhigt. Sie strich sich die Haare aus der Stirn, streckte die Schultern, legte die Tablette neben das Glas auf den Tisch und öffnete die Tür.
Sven sah sie fragend an.
»Mama? Geht es dir besser?«
Sie ließ ihn eintreten.
»Es tut mir Leid, dass ich deine Pläne umgeworfen habe, aber ich kann das nicht. So will ich meinen Geburtstag auf keinen Fall feiern.«
»Ich will dich selbstverständlich zu nichts zwingen. Es ist dein Geburtstag, und du bestimmst, wie er aussehen soll.«
Sven sah die
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