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Mittsommerzauber

Mittsommerzauber

Titel: Mittsommerzauber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inga Lindström
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verlieren. Vor seinen Augen bildeten sich bereits schwarze Flecken, und er bekam immer schlechter
    Luft. Endlich hatte er die Ausgangstür erreicht, die er mühsam aufstieß. Nur um im selben Moment zu begreifen, dass er wieder verloren hatte.
     
    *
     
    David stand auf dem Parkstreifen vor dem Eingang des Krankenhauses und telefonierte mit der Sachbearbeiterin des Bauernverbandes. Sie hatte ihm bereits am Morgen versprochen, eine Aushilfe zu besorgen, doch da er bis jetzt nichts gehört hatte, fand er, es könne nicht schaden, seiner Bitte ein wenig Nachdruck zu verleihen. Sie meinte, dass sie bis nächste Woche jemanden besorgen könne.
    »Nächste Woche ist es zu spät. Ich brauche jetzt jemanden! Hören Sie, es stehen über zweihundert Schafe auf dem Hof!«
    »Ich will sehen, was ich tun kann«, sagte die Frau.
    David wäre fast das Handy runtergefallen, als er sah, wer soeben aus dem Krankenhaus gehinkt kam.
    »Ich rufe Sie wieder an«, sagte er geistesabwesend ins Handy, bevor er auf Gustav zueilte. »Du lieber Himmel, was machst du denn hier?«
    Ein Pfleger kam aus der Tür gestürzt, einen zusammenklappbaren Rollstuhl in der Hand. Eva folgte ihm auf dem Fuße, einen besorgten Ausdruck im Gesicht.
    »Was er hier macht?«, rief der Pfleger. »Abhauen! Herr Axelsson, so geht das nicht!« Er klappte den Rollstuhl auseinander und schob ihn Gustav kurzerhand in die Kniekehlen.
    Gustav machte gar nicht erst den Versuch, sich zu wehren. Er sackte zusammen und ließ sich in den Stuhl fallen. Das Kinn sank ihm auf die Brust, und David sah, dass der Alte völlig entkräftet war.
    »Um Himmels willen, was tust du denn?«, fragte er.
    »Ist das hier etwa ein Knast oder was?« Gustavs Stimme zitterte viel zu sehr, um störrisch zu klingen. »Bring mich nach Hause, ja?«
    »Er steht immer noch unter starken Schmerzmitteln«, sagte der Pfleger. »Er kann nicht nach Hause, tut mir Leid. Die Operation ist für morgen angesetzt.«
    »Schon gut«, meinte David. Zu Gustav sagte er: »Wenn du das alles hier hinter dir hast, würde ich gern mit dir reden.«
    »Es gibt nichts zu reden. Du kannst Monica ausrichten, dass ich mich nicht von meinem eigenen Hof vertreiben lasse. Wenn ich ihr als Schafbauer nicht fein genug bin, dann soll sie sich eben einen anderen Vater suchen.« Er verfiel in erschöpftes Schweigen, und der Pfleger schob ihn ohne großes Federlesen zurück ins Gebäude.
    Eva, die schweigend die Diskussion verfolgt hatte, kam näher. »Alles in Ordnung?«
    David drehte sich lächelnd zu ihr um. »Bei mir schon. Und wie ist es mit Ihnen?«
    »Ich habe ein kleines Patenkind. Es ist ein Mädchen.«
    »Das freut mich.« Er schaute auf die Uhr. »Ich muss leider zurück zum Hof. Die Arbeit wartet nicht. Die Schafe müssten schon längst geschoren sein.«
    »Das kommt mir sehr gelegen«, meinte Eva. »Ich habe nämlich ein Attentat auf Sie vor.«
     
    *
     
    »Also, ich weiß nicht«, sagte Eva zaudernd. Im Internet hatte alles sehr einfach ausgesehen. Sie hatte sich sogar ein altes Video aus Brittas Beständen zu Gemüte geführt, auf dem es kinderleicht ausgesehen hatte. Schwitzende Männer mit nackten Oberkörpern hatten die Schafe in null Komma nichts aus der Wolle geholt und dabei ausgesehen wie auf einem Modelwettbewerb.
    David mochte ja diese Rolle noch in etwa ausfüllen - er hatte sogar schon das Hemd ausgezogen -, doch sie selbst hatte nicht die geringste Ähnlichkeit mit der Meggy aus Die Dornenvögel. Außerdem war Scheren wohl doch etwas anders als Rasieren. Das Ding in ihrer Hand fühlte sich nicht gerade an wie ihr elektrischer Ladyshave.
    Davon abgesehen war ihr nur zu bewusst, welch himmelweiter Unterschied zwischen Theorie und Praxis bestand. Sie hatte gelesen, dass eine Schafschur großes Geschick erforderte, und dass es, wenn der Scherer unvorsichtig war, leicht zu Verletzungen beim Schaf kommen konnte. In diesem Punkt bestand zwischen Menschen und Schafen kein Unterschied. Eine Klinge war eine Klinge, und wenn sie scharf war - was sie sein musste -, konnte sie in die Haut schneiden.
    Eva hatte Seiten gefunden, auf denen davon berichtet wurde, wie viele Schafe allein in Australien nur an den Folgen der Schur zu Grunde gingen, etwa an infizierten Schnitten oder unbehandelten Wunden. Es waren zehn-tausende jedes Jahr.
    »Wir versuchen es einfach«, schlug David aufmunternd vor.

Eva schluckte. Er hatte gut reden. Als Kind war er hier quasi ein und aus gegangen und hatte natürlich auch bei der Schur

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