Mittsommerzauber
es war klar, dass er bis dahin immer nur sporadisch zu Hause sein konnte.
Eva nahm sich einen von den Pfannkuchen und aß ihn. Zuerst glaubte sie, es nur zu tun, um ihre Verlegenheit wegen der Frage, die sie Britta gleich stellen wollte, zu überspielen. Doch dann merkte sie plötzlich, dass sie ungeheuren Hunger hatte. Es war lächerlich, aber sie hatte tatsächlich den ganzen Tag nicht daran gedacht, etwas zu essen.
»Ich darf doch, oder?« Eva fand es peinlich, wie schnell die Schale leer war, aber Britta trug es offenbar mit Fassung, dass ihr Mitternachtsimbiss binnen Sekunden im Mund ihrer Freundin verschwand. »Raus mit der Sprache«, befahl sie, als Eva den letzten Bissen kaute.
Eva verschluckte sich und nutzte das aus, um etwas länger zu husten, als es nötig gewesen wäre. Anschließend meinte sie mit zur Seite gewandtem Blick: »Weißt du, ich möchte dich gern fragen, wie dringend du mich brauchst.«
»Henning hat dir vier Wochen freigegeben. Du willst doch nicht etwa jetzt schon abhauen?«
»Du lieber Himmel nein!« Eva druckste herum. »Ich meine nur... Im Laden... Malin macht das eigentlich perfekt. Und hier im Haus... Peter ist ja im Moment da.«
»Worauf willst du eigentlich hinaus?« Britta hielt nachdenklich inne. »Warte. Sag mir lieber, was du angestellt hast, während ich mal eben ein Kind gekriegt habe. Da war doch was, oder?«
»Nein, überhaupt nichts.« Eva kreuzte rasch unterm Tisch zwei Finger. »Es könnte bloß sein, dass ich... Naja, dass ich eine neue Seite an mir entdeckt habe.«
»Ach«, meinte Britta angelegentlich. »Eine gute Seite?«
»Keine Ahnung. Das muss ich noch herausfinden. Es sei denn, dass du mich dringender brauchst. Das ginge dann natürlich vor.«
Darauf ging Britta nicht ein. »Es hat mit diesem Schäfer zu tun.« Es war eine Feststellung, keine Frage.
»Nicht das, was ich jetzt meine.« Eva wollte nicht im Detail erklären, worum es ihr ging. Dazu war die Idee, die sich heute im Laufe des Abends in ihrem Kopf eingenistet hatte, noch viel zu unausgegoren. Doch irgendwie musste sie Britta plausibel machen, was sie eigentlich wollte. Sie versuchte es, doch mehr als eine unzusammenhängende Erklärung brachte sie nicht zu Stande. »Schau, es ist so... Ich bin im Moment so unsicher, über mein ganzes Leben. Ich meine, du hast jetzt das Baby... Das ist wundervoll, etwas ganz Neues! Und ich - ich mache seit Jahren immer nur dasselbe. Bettwäsche, Tischwäsche, Handtücher, Geschirrtücher. Wenn ich mal Gardinen entwerfen darf, ist das schon eine Sensation! Ich möchte...« Sie brach ab und schob in einer Geste der Hilflosigkeit den leeren Teller auf dem Tisch hin und her.
Britta griff nach ihrer Hand und hielt sie fest. »Schon gut. Ich denke, du weißt, was du tust.«
Eva lächelte sie erleichtert an. Eilig stand sie auf, ging um den Tisch herum und schloss ihre Freundin in die Arme. »Du bist toll, hab ich dir das schon gesagt?«
Peter stand im Durchgang zum Wohnzimmer, das Baby in seinen Armen wie eine winzige Puppe. »Hauptsache, ihr beiden seid euch einig. Ich muss ja davon nichts verstehen.«
»Du bist ein Mann, mein Schatz«, sagte Britta. »Die brauchen mit dem Verstehen immer etwas länger.«
Eva ließ die beiden mit ihrem Nachwuchs allein und ging auf ihr Zimmer. Höchste Zeit, dass sie endlich zur Ruhe kam. Ihre neuen Erfahrungen mit der Schafschur waren zwar lehrreich gewesen, würden ihr aber spätestens morgen den schlimmsten Muskelkater ihres Lebens bescheren. Trotzdem würde sie es jederzeit wieder tun. Selten hatte ihr eine Arbeit solchen Spaß gemacht. Es lag nicht nur daran, dass David dabei gewesen war, sondern auch an der schlichten Tatsache, dass sie diesen Hof mitsamt seinen Schafen - vor allem mit den Schafen - als etwas Besonderes empfand. Sie hatte heute mit ihren Händen Leistungen vollbracht, deren sie sich früher nicht für fähig gehalten hatte. Es war auf einmalige Weise neu und aufregend gewesen, und sie spürte mit all ihren Sinnen, dass sich dies nicht verbrauchen würde, wenn sie es wiederholte.
Sie warf sich rücklings auf das Bett des kleinen Gästezimmers, das Britta so liebevoll für sie hergerichtet hatte. Ihre Fingerspitzen glitten über den Satinstoff des Bettbezuges, ein sündhaft teures Modell mit aufwändigem Chinoiserie-Druck. Sie selbst hatte es entworfen, und da sie ständig Produktionsmuster als Angestelltendeputat bekam, musste sie nie mit wertvollen Präsenten geizen. Sowohl Britta als auch sie selbst
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