Mittsommerzauber
schliefen nur in ausgesucht hochwertiger Bettwäsche.
Auf Gustavs Hof war alles eher schlicht und zum Teil schon ziemlich alt, aber es war sauber und gepflegt, von den Fußböden über die Möbel bis hin zu den Tischdecken und Vorhängen. Er und seine Frau mussten die Einrichtung des Hauses am Anfang ihrer Ehe mit großer Sorgfalt und Liebe zum Detail ausgesucht haben, und Gustav hatte sich nach Kräften bemüht, alles zu erhalten.
Ihr selbst würde es da gefallen, dachte Eva unvermittelt. Und für David galt das Gleiche, möglicherweise in noch stärkerem Ausmaß. Sie hatte den deutlichen Eindruck gehabt, dass er sich auf dem Hof beinahe wie zu Hause fühlte.
Sie sagte sich, dass sie sich endlich ausziehen sollte, doch sie spürte, dass sie nicht würde schlafen können. Sie war immer noch zu aufgekratzt. Trotzdem rappelte sie sich hoch und ging ins Bad, um sich wenigstens die Zähne zu putzen und ihr zerzaustes Haar in Ordnung zu bringen. Als sie vor dem Spiegel stand, sah sie, dass sie den kleinen Anhänger ihrer Halskette verloren hatte. Er war nicht besonders wertvoll, jedenfalls nicht nach materiellen Maßstäben. Es handelte sich um ein kleines Granatherz, zu dem sie auch die passenden Ohrringe besaß. Sie hätte sich ohne weiteres ein neues kaufen können, doch das Herz war das letzte Geschenk ihrer Eltern gewesen, bevor sie tödlich verunglückt waren. Sie hatte es zu ihrem achtzehnten Geburtstag bekommen.
Vor der Schafschur hatte es noch an der Kette gehangen, das wusste sie genau. Sie hatte neben David gestanden und den kleinen Anhänger betastet, wie sie es häufig tat, wenn sie nervös war. Er musste ihr bei der Arbeit im Stall runtergefallen sein.
Eva beschloss spontan, hinzufahren und nachzusehen. Auf die eine Viertelstunde kam es nun auch nicht mehr an, und vielleicht konnte sie hinterher endlich schlafen. Sie schlich auf Zehenspitzen aus dem Haus, weil sie Britta und Peter nicht schon wieder stören wollte. Sie holte das Fahrrad aus dem Schuppen und nahm eine Stablampe mit.
Der Nachtwind kühlte ihr erhitztes Gesicht, und sie merkte, wie sehr die kurze Fahrt sie anstrengte. Vermutlich würde sie hinterher schlafen wie ein Stein.
Zu ihrer Überraschung fand sie den Anhänger tatsächlich innerhalb weniger Minuten. Er lag dicht beim Gatter, genau an der Stelle, wo sie die ganze Zeit während der Schur auf dem Boden gekniet hatte. Der Fund löste einen Schub von Euphorie in Eva aus, denn sie machte sich klar, was für ein Glück sie gehabt hatte. Ebenso gut hätte das Herz in einem der Wollhaufen liegen können, die sich entlang der Wände auftürmten.
Eva schob den Anhänger vorsichtig in ihre Brieftasche und ging nach draußen. Sie legte die Handtasche in den Fahrradkorb und wollte gerade aufsteigen, als ein Geräusch sie innehalten ließ. Es kam vom Seeufer. Mit einem Mal wusste Eva, dass David dort drüben war. Sie hatte keine Ahnung, woher dieses Wissen stammte, aber es war da - eine instinktive Sicherheit, die sie dazu zwang, sich in Bewegung zu setzen und zum See hinunterzugehen. Das Blut rauschte in ihren Ohren, immer im Rhythmus ihres Herzschlags, und einen irrsinnigen Moment glaubte sie, sterben zu müssen, wenn sie ihn nicht fand.
*
Er war noch einmal zum See hinuntergegangen, weil er die Zeitschriften holen wollte, die er in Barkhult gekauft und dann auf dem Boot vergessen hatte. Ihm war danach, vor dem Zubettgehen noch etwas zu lesen. Er hätte natürlich auch versuchen können, zu schlafen, doch sogar nach all den Anstrengungen des Tages fühlte er sich hellwach, fast wie von einer Droge aufgeputscht.
Er hockte sich auf den Steg, um das Boot heranzuziehen, als er plötzlich ihre Gegenwart spürte. Gehört hatte er nichts, dazu war sie zu weit weg, aber er wusste, dass sie hier war.
Langsam drehte er sich um, und da sah er sie.
Sie kam durch das hohe Gras am Seeufer auf ihn zugeschritten, eine Traumgestalt mit wehendem Haar, silbrig wie die Sichel des Mondes, der über den Birken stand. Ihr Gesicht war ernst und dabei zugleich von einem Liebreiz, der kaum von dieser Welt sein konnte.
David richtete sich auf und streckte ihr ohne nachzudenken die Hand entgegen. Eva tat die wenigen Schritte, die sie noch trennten, und dann ergriff sie seine Hand und schaute ihn an. Ihre Augen schimmerten dunkel, Verheißung und Forderung zugleich.
David zog sie an sich und hob sie hoch, als wöge sie nicht mehr als ein Kind, und in der nächtlichen Stille trug er sie hinüber zum
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