Mittwinternacht
erzähle dem Fahrer, dass du mir an die Wäsche wolltest.»
«Mrs. Straker?»
«Ja? Wer ist am Apparat?»
«Hier ist Merrily Watkins. Ich habe schon ein paarmal versucht, Sie nochmal zu erreichen, aber Sie mussten wohl aus dem Haus.»
«Wer, haben Sie gesagt, ist da am Apparat?»
«Merrily Watkins. Die Mutter von Jane, Rowennas Schulfreundin. Wir haben vorhin miteinander telefoniert.»
«Ich glaube, Sie haben sich verwählt.»
«Wir haben vor ungefähr anderthalb Stunden miteinander gesprochen. Sie wollten mir noch etwas über Rowenna erzählen.»
Sie würden es jedenfalls nicht komisch finden, das kann ich Ihnen garantieren.
«Ich glaube, Sie verwechseln mich mit jemandem», sagte Mrs. Straker. «Ich habe noch nie im Leben mit Ihnen gesprochen.»
Sie kann nicht offen reden, dachte Merrily. Irgendwer war da, den sie nicht zuhören lassen wollte. Oder vor dem sie Angst hatte.
«Ist jemand bei Ihnen? Ist Rowenna zurückgekommen? Ist Jane bei ihr? Sie können einfach nur mit Ja oder Nein antworten.»
«Hören Sie», zischte Mrs. Straker. «Ich weiß nicht, wer Sie sind, aber wenn Sie mich noch weiter belästigen, rufe ich die Polizei. Habe ich mich deutlich genug ausgedrückt? Und jetzt lege ich auf.»
Merrily lag an diesem Abend über eine Stunde wach. In ihrem Kopf schrillte ein ganzes Arsenal von Alarmglocken.
Es war der erste Tag in dieser Woche, an dem sie und Jane gemeinsam zu Abend gegessen hatten. Danach waren sie in den Salon gegangen, hatten im Kamin Feuer gemacht und in schöner Einträchtigkeit ferngesehen. Nachdem der Film zu Ende war, hatten sie sich unterhalten, und Merrily hatte Jane von Moon erzählt.
«Sie ist tot?»
Jane hatte nichts davon gewusst. Es war schwer einzuschätzen, wie Jane die Sache aufnahm. Sie hatte Moon und Lol für ein Paar gehalten. Als Merrily davon sprach, dass Moon das Schwert aus der Eisenzeit benutzt hatte, um sich umzubringen – solche Dinge schienen Jane nie besonders aufzuregen, solange keine Tiere zu Schaden kamen –, hatte ihre Tochter bedächtig genickt.
«Klar. Es war eine ziemlich finstere Epoche, als die Keltenzeit ins Mittelalter überging.»
«Ach ja?» Merrily zog ihre Beine aufs Sofa.
«Schädliche Magie. Die Druiden haben mit Blutopfern und solchem Zeug angefangen. Wenn deine Familie solche Wurzeln hat, ist es ziemlich wahrscheinlich, dass das noch irgendwelche Auswirkungen auf dein Leben hat. Außerdem – wer weiß schon, was
noch alles
bei dieser Scheune passiert ist? Ich meine, vor langer Zeit. Der Ort könnte richtig verseucht sein, alle möglichen negativen Schwingungen verbreiten. Wenn man nicht weiß, wie man damit umgehen soll, kann das ziemlich schlecht ausgehen.»
«Das klingt ja sehr interessant», sagte Merrily milde. «Woher weißt du denn das alles, Spatz?»
«Das weiß doch jeder», behauptete Jane einfach. «Also war diese Moon vollkommen übergeschnappt?»
«Sie hatte jedenfalls eine längere psychiatrische Vorgeschichte.»
«Und Lol? Wie hat er es aufgenommen?» Jane stellte ihren Teebecher ab und stocherte mit dem Schürhaken im Kaminfeuer herum.
«Er glaubt, er hätte ahnen müssen, was passieren würde, aber das sagen die Leute nach einem Selbstmord immer. Allerdings war es in diesem Fall so, dass sie Unterstützung
hatte
. Es ist ziemlich merkwürdig. Es passt nicht zusammen.»
«Und Lol … War er in sie verliebt?»
«Das glaube ich wirklich nicht, Schatz.»
In diesem Moment hatte das Telefon geklingelt. Als Merrily an der Anrufererkennung gesehen hatte, dass es Lol war, hatte sie ihn vom Spülküchen-Büro aus zurückgerufen, das Gespräch aber kurz gehalten, denn Jane konnte sich hervorragend anschleichen. Also beschränkte sich Lol darauf, ihr zu sagen, dass Jane zu einer Gruppe namens
The Pod
ging, die sich über einem Café in Hereford traf. Lol sagte, es sei eine reine Frauengruppe, Sex würde keine Rolle spielen, es ginge um Selbsterfahrung durch Meditation und spirituelle Übungen. Vielleicht träumten einige Teilnehmerinnen davon, eines Tages ihren Körper verlassen zu können.
Oh, das war alles?
Als Merrily in den Salon zurückkam, hatte Jane das zweite und letzte Hazey-Jane-Album aufgelegt.
Merrily legte sich aufs Sofa, hörte der Musik zu, und die Gedanken wirbelten durch ihren Kopf wie Wasser in einem Strudel.
Das Telefon klingelte an diesem Abend noch zweimal. Später stellte Merrily fest, dass der letzte Anruf von Huw Owen gekommen war. Als sie im Bett lag, dachte sie
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