Mittwinternacht
anschließendhatte sie sich in aller Ruhe auf den Weg nach
The Glades
gemacht.
Sie musste sich jetzt nicht mehr als Exorzistin beweisen. Das war vorbei. Jetzt ging es darum, ihr Pfarramt zu retten.
Und ihren Verstand?
Lass den Verstand hier außen vor. Verstand ist relativ.
Edna Rees sah ohne erkennbare Angst den Flur entlang in die Richtung der Glühbirne, die gerade durchgebrannt war. «Das passiert Ihnen bestimmt nicht zum ersten Mal, oder, meine Liebe?»
Merrily schwieg.
Edna lehnte sich bequem in ihrem Korbstuhl zurück. «In der Gwynne Street ist das regelmäßig vorgekommen. Es ist überall vorgekommen, wo er gewohnt hat. Jedenfalls habe ich mir das sagen lassen.»
«Dass die Glühbirnen durchbrennen?»
«Hätte mich vielleicht abgeschreckt, wenn ich es gewusst hätte, bevor ich anfing. Aber man gewöhnt sich dran.»
Merrily sah die Reihe der Wandlampen entlang. Die eine durchgebrannte Birne schien dazu geführt zu haben, dass auch alle anderen weniger hell brannten, als hätten sie irgendwie den Mut verloren. Vermutlich gab es dafür eine wissenschaftliche Erklärung; sie könnte ja Chris Thorpe danach fragen.
«In einer Woche waren es sogar einmal fünf Stück», sagte Edna. «Glühbirnen sind ja ganz schön teuer, heutzutage. Also haben wir es mit diesen Öko-Dingern versucht – was die erst kosten! –, weil die Ewigkeiten halten. Aber nicht in seinem Haus.»
«Was ist sonst noch passiert?»
«In manchen Nächten …», Edna zupfte den Rock über ihren Knien glatt, «… konnte man dieses Haus um nichts in der Welt warm bekommen, auch nicht, wenn man sämtliche Radiatoren anstellte und im Wohnzimmer den ganzen Tag das Kaminfeuerbrannte. Manchmal war es draußen gar nicht mal so kalt, verstehen Sie? Aber trotzdem, abends, wenn man erwartete, dass die Räume schön durchgewärmt sein müssten …»
Kalte Stellen?
Auch davon hatte Huw in dem Kurs berichtet.
Von dem Flur gingen fünf Türen ab, und alle waren geschlossen. Geschlossene Türen hatten etwas Bedrohliches an sich. Aber angelehnte Türen, hinter denen die Dunkelheit lauerte, waren noch schrecklicher. Merrily vermutete, dass sie Türen einfach nicht mochte. Davon abgesehen empfand sie nichts Störendes … keine kalten Stellen – und ganz bestimmt nicht diesen fauligen, widerlichen Gestank, der emporgestiegen war, als …
Stopp!
Schnell drehte sie sich wieder zu Edna um. «Wollen Sie damit sagen, dass er seine Arbeit … mit nach Hause gebracht hat?»
Edna sah Merrily unter dem Rand ihres flaschengrünen Samthutes hervor an. Ihre braunen Augen wirkten sehr scharfsinnig.
«Meine Liebe, es war vielmehr so, dass ihm seine Arbeit
nach Hause
gefolgt ist.»
Merrily erstarrte. «Hat er Ihnen das gesagt?»
«Er hat nie mit mir über seine Arbeit gesprochen», sagte Edna. «Nicht mit mir, und auch mit sonst niemandem, soweit ich weiß. Aber manchmal, wenn er zurückkam, fühlte man sich, als hätte Väterchen Frost persönlich das Haus betreten.»
«Was hat er dagegen unternommen?»
«Das ging mich nichts an, Mrs. Watkins.»
«Nein», sagte Merrily. «Vermutlich nicht. Ich … habe Sie kürzlich mit ihm zusammen in der Kathedrale gesehen.»
«Ja», sagte Edna ruhig. «Ich dachte mir, dass Sie das waren.»
«Er hat Ihnen gesagt, dass Sie gehen sollten. Er sagte, da gäbe es etwas, das er nicht … dort besprechen könnte.»
«Sie haben ja ziemlich gute Ohren.»
«Geht mich das nichts an?»
«Offenbar sehen Sie das nicht so.»
«Aber warum ‹dort›? Warum wollte er, dass Sie die Kathedrale verlassen?»
«Aus demselben Grund, aus dem er mich aus seinem Haus haben wollte, Mrs. Watkins.»
«Und was ist das für ein Grund?»
«Warum stellen Sie mir überhaupt all diese Fragen?»
«Weil ich ihn selbst nicht fragen kann. Weil er im Krankenhaus liegt und anscheinend nicht sprechen kann. Aber vielleicht spricht er auch einfach nicht mit weiblichem Pflegepersonal.»
Edna lächelte.
«Genauso wenig wie mit mir. Er hat mich einfach ignoriert, und der Grund dafür ist, dass er glaubt, ich wäre nicht geeignet, seine Nachfolge anzutreten. Er hat mir nur eine kryptische Notiz zukommen lassen, in der es heißt, dass Jesus Christus der erste Exorzist war. So. Jetzt habe ich Ihnen alles gesagt, Edna.»
«Merrily … Ich darf Sie doch Merrily nennen?»
«Sogar sehr gern.»
«Merrily, das alles hat angefangen … Ich weiß nicht genau wann, aber es gab einen Anfang.»
«Ja.»
«Zuerst habe ich
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