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Mittwinternacht

Mittwinternacht

Titel: Mittwinternacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phil Rickman
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diese fatale Leidenschaft für Anna entwickelt hätte, die auf einen vergleichsweise niedrigen Verwaltungsposten in Oxfordshire versetzt worden war.»
    Miss White glaubte, dass Annas Ablehnung der Kirche und ihres Machtapparats zu dieser Zeit mit ihrem obsessiven Interesse für magische Praktiken verschmolzen war. Die Kirche hatte ihre vielversprechende Karriere zerstört, also wollte sie der Kirche schaden, wo sie nur konnte.
    Lol dachte an die sanfte Frau mit dem freundlichen Gesicht, die in der gemütlichen Küche des Bauernhauses Brot gebacken und sich bei Moons Beerdigung die Tränen von den Augen getupft hatte.
    «Die Verunsicherung, Demütigung oder gar die physische Vernichtung eines Pfarrers ist ein großer Sieg für Satanisten», sagte Miss White. «Das weiß jeder. Aber der größte Sieg, das ultimative Ziel, ist es, einen geweihten Priester abtrünnig zu machen, ihn
umzudrehen

    «Kommt so etwas wirklich vor?» Er dachte an den großen, herzlichen Tim Purefoy in seinem nagelneuen Barbour mit der passenden Mütze.
«Kommen Sie mit ins Bauernhaus   … trinken wir einen Kaffee.»
    «Ich weiß nicht, wie häufig es tatsächlich vorkommt», sagte Miss White. «Vielleicht bleiben manche von ihnen im Amt und praktizieren ihre abseitigen Künste heimlich. Wie viele Kirchen unbemerkt dem Teufel geweiht worden sind – woher soll man das wissen? Aber was ich weiß, ist, wie unwahrscheinlich reizvoll die Vorstellung für Anna gewesen sein muss, Tim umzudrehen. Der Kalte Krieg war auf dem Höhepunkt, die Sowjets gaben mit übergelaufenen britischen Agenten wie Philby an; wie wundervoll wäre es also, wie prestigeträchtig – innerhalb ihres Zirkels, natürlich   –, einen Pfarrer zum Satanismus zu bekehren? Und ganz besonders eine so bekannte Gesellschaftsgröße wie Tim Purefoy.»
    Darüber, wie die Sache genau vonstattengegangen war, wusste Miss White nichts Genaues.
    «Aber man kann sich vorstellen, wie die Leidenschaft Tim Purefoys, der inzwischen Dekanatsleiter geworden war, von der sensationellen Blondine immer weiter angefacht wird   … an langen, erotischen Sonntagnachmittagen zwischen Vormittagsmesse und Abendandacht. Über die subtileren Spielarten der körperlichen Liebe verfügt eine Magierin ja von Natur aus», sagte Miss White geheimnisvoll.
    «Aber wenn er so gute Geschäfte machte, wenn er Witwen schröpfen konnte und gesellschaftlich anerkannt war – warum sollte er das alles aufgeben wollen?»
    «Tja, das wollte er selbstverständlich auch nicht – jedenfalls nicht freiwillig.»
    Athena glaubte, dass ein neuer Hilfsgeistlicher, der seine Pflichten überaus ernst nahm und in beinahe mönchischer Selbstverleugnung lebte, die beiden bloßgestellt hatte. So wurde bekannt, dass Anna den Dorfbewohnern regelmäßig Tarotkarten gelegt hatte, und zwar in einem Cottage, das zum Besitz von Tims Gemeindekirche gehörte. Einmal sogar beim Gemeindefest.Zuerst wurde Anna aus dem Dorf vertrieben – durch eine Hasskampagne, die von Christen aus der ganzen Region unterstützt wurde.
    «Und in dieser Zeit wurde Tim fotografiert, als er spätnachts aus ihrem Cottage kam. Danach eskalierte die Sache, allerdings wurde es kein richtig großer Skandal, weil die Kirche den Deckel draufhielt. Ich weiß nicht, ob Tim damals schon etwas mit Satanismus zu tun hatte oder ob das später kam – aber es kam. Inzwischen hatten beide einen
beträchtlichen
Hass auf die Kirche, die ihrer Meinung nach wieder mit Hexenverfolgungen anfing. Und dass es Anna gelungen war, ihn mit all seiner spirituellen Autorität auf ihre Seite zu ziehen, ganz gleich, wie korrumpiert diese Spiritualität aufgrund seines schwachen und geldgierigen Charakters schon war, muss Annas Einfluss unter ihresgleichen erheblich vergrößert haben.»
    Lol sah durch das Fenster einen Trupp älterer Damen die Auffahrt heraufkommen.
    «Verdammt», sagte Athena. «Zuerst gehen sie in ihre Zimmer, um sich ‹frisch zu machen›, sofern dieser Ausdruck passend ist, und dann fallen sie hier wie ein gackernder Hühnerhaufen ein.»
    «Und wovon haben die Purefoys anschließend gelebt?»
    «Wenn ein Pfarrer überläuft, wird er genauso behandelt wie Philby in Moskau – wie eine große Berühmtheit. Er wird bei Hof vorgestellt, könnte man sagen.»
    «Was meinen Sie mit ‹Hof›?»
    «Oh, Robinson, nicht mal
ich
weiß, wer diese Leute genau sind. Sehr reich, sehr böse – ein paar echte Kriminelle sind auch darunter. Ganz bestimmt spielt der Satanismus im

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