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Mittwinternacht

Mittwinternacht

Titel: Mittwinternacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phil Rickman
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Eisenzeit nur ein kurzer, dunkler Übergang vor dem sicheren Eintritt in ein neues Leben im Jenseits. Ein keltisches Menschenopfer war oft ein
freiwilliges
Opfer. Katherine wusste immer, dass sie kein langes Leben in dieser Welt haben würde – das habe ich ihr in den Karten gezeigt, obwohl es ihr längst selbst klar war.»
    «Wir haben sie dabei unterstützt, an den Busen ihrer Tradition zurückzukehren», sagte Tim zufrieden.
    «Es war sehr schön», sagte Anna mit sanfter Stimme. «Überall lag Schnee, aber im Badezimmer herrschte behagliche Wärme. Wir haben ihr geholfen, die Kerzen um die Wanne herum aufzustellen. Sie war nackt und warm, und sie lächelte.»
    «Nein!», sagte Lol.
    Er sah Moons schlanke Arme vor sich, die im Licht der vier hohen Altarkerzen an der weißen Badewanne golden schimmerten. Ihre Zähne waren entblößt. Ihre Hände – etwas Schwarzes, Knorriges war über Moons Händen.
    «Aber das Leben nach dem Tod haben Sie ihr nicht geschenkt, oder?»
    Er sah Moon voller Erwartung lächeln, keuchen, energiegeladen, euphorisch – schlitzen, reißen. Und dann sah er, wie sie sich ruhig zurücklehnte, froh darüber, dass ihr Leben in einem blutigen Strom aus ihren Pulsadern floss.
    Es war so tragisch und grauenvoll, dass er tief einatmen musste, um nicht die Fassung zu verlieren. Das war das Werk der Purefoysund nichts anderes, als hätten sie Moon mit einem Messer am Straßenrand aufgelauert. Eigentlich war es noch schlimmer   …
    Während er sich mit schwitzenden Händen an seinen Stuhl klammerte, schleuderte er ihnen entgegen, was ihm Athena White erklärt hatte.
    «Wird ein Opfer schnell gebracht, kehrt der Geist sofort an einen   … besseren Ort ein. Doch wenn der Tod hinausgezögert wird, hat der Magier Gelegenheit, den Geist an seinen Willen zu fesseln, sodass er an die Erde gebunden bleibt und zum Diener seiner Befehle   …»
    «Hören Sie schon auf   …», Tim erhob sich halb, «…   was für ein Unsinn!» Er ließ sich wieder auf den Thron sinken.
    «Das kann schon sein», sagte Lol. «Aber
Sie
halten es keineswegs für Unsinn. Sie glauben, dass Sie Moon immer noch in der Hand haben   … und durch sie einen Zugang zu ihren Ahnen und der gesamten vorchristlichen, heidnischen Keltentradition bekommen.»
    Er sprang auf. Er war sicher, dass Moons Foto über dem Kamin nicht durch das Kerzenlicht so schimmerte und auch nicht durch die Mondstrahlen, die durchs Fenster fielen – das Foto strahlte ein eigenes trübes Licht aus.
    «Sie suchen sich einfach leichtgläubige und kranke Menschen wie Moon als Opfer aus und benutzen kleine Spinner wie Rowenna oder andere schwache Leute, die nach einem Sinn im Leben suchen   …»
    «Leute wie Sie», sagte Anna freundlich.
    «Nein.» Er wich zurück, als sie sich erhob.
    «Katherine hat uns von Ihnen erzählt, Laurence. Sie sagte, in Ihrer Gesellschaft hat sie sich oft besser gefühlt, weil Sie selbst so unsicher waren und aus langjähriger eigener Erfahrung wissen, wie es ist, das seelische Gleichgewicht zu verlieren.»
    «Das ist lange vorbei.»
    Tim lachte. Anna streckte Lol die Hände entgegen. Ihr Gesicht wirkte in dem weichen Licht unglaublich schön und unwiderstehlich liebenswürdig.
    «Es ist noch gar nicht
so
lange vorbei. Und Sie wissen doch, dass es in Wahrheit nie vorbeigeht, oder? Es gehört zu Ihnen, Laurence. Sie sind sich über nichts im Leben wirklich sicher, und deshalb fühlen Sie sich zu selbstsicheren Menschen hingezogen.»
    Er starrte sie an, wie sie ihn so liebenswürdig ansah, suchte nach dem Gift, von dem er wusste, dass sie es in sich trug, weil sie die schwarze Sirene war, die Frau, die Moon in ihren tödlichen Phantasien bestärkt und ihre Fühler nach Jane ausgestreckt hatte – um sie genauso für ihre Zwecke einzusetzen.
    Anna lächelte mitfühlend, und er wusste, dass sein Widerstand sofort zusammenbrechen würde, wenn er zuließ, dass sie ihn berührte.
    Leise sagte sie: «Laurence, denken Sie doch einmal nach. Was hat sie zu Katherine gerufen? Warum sind Sie heute Abend hierhergekommen?»
    Lol schloss eine Sekunde lang die Augen. Sofort hatte er eine kleine, schlanke Frau in Schwarz vor sich, in deren Augen der Spott über all diesen Unsinn blitzte. Er blinzelte heftig. Das war nicht der Moment   …
    «Ah.» Anna schüttelte amüsiert den Kopf. «Wie kommt es eigentlich, dass Sie so   …
besessen
von dieser kleinen Pfarrerin sind?»
    «Bei Ihnen geht es immer nur   …» Sein Verstand weigerte sich,

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