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Mittwinternacht

Mittwinternacht

Titel: Mittwinternacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phil Rickman
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hindurchschob.
    Nachdem sie nun schon einmal da war, hielt sie ein bisschen nach Kanonikus Dobbs Ausschau.
    Sie musste sich dringend unter vier Augen mit dem alten Herrn unterhalten. Um die Atmosphäre zu reinigen, mögliche Missverständnisse auszuräumen. Wenn sie diese Aufgabe übernahm, wollte sie keine unguten Gefühle, keine Ressentiments im Raum stehenlassen.
    Es war gar nicht so leicht, mit Dobbs Kontakt aufzunehmen. Im Exorzistenamt war Unauffälligkeit nach Huw Owens Überzeugung zwar von grundlegender Bedeutung, wenn man nicht von Blödmännern, Verrückten oder noch schlimmeren Typen behelligt werden wollte, aber Dobbs war praktisch unauffindbar – erstand nicht einmal im Telefonbuch. Als Mitglied des Kathedralkapitels musste er nicht für Gemeindemitglieder erreichbar sein, aber dass er nicht einmal im Telefonbuch stand?
    Die Abendandacht in der Kirche von Ledwardine war kürzlich aufgrund mangelnden Interesses in der Gemeinde zunächst einmal aufgegeben worden, sodass Merrily am Samstagabend – als Jane bei einer Freundin war – Zeit gefunden hatte, bei Alan Crombie, dem Pfarrer von Madley, anzurufen. Doch er hatte ihr nicht weiterhelfen können.
    «Musste ihn nie um Rat bitten, Merrily – aber ich erinnere mich, dass Colin Strong es tun wollte. Als er in Vowchurch war, gab es in einem Bauernhaus ständig Probleme, sodass er Dobbs schließlich hinzugezogen hat. Ich glaube, er hat einfach im bischöflichen Sekretariat angerufen. Man hinterlässt eine Nachricht, und Dobbs nimmt Kontakt auf.»
    Tja, das nützte ihr nichts. Mick Hunter würde sofort davon erfahren.
    «Also hat die allgemeine Öffentlichkeit eigentlich gar keinen Zugang zu Dobbs.»
    «Jedenfalls nicht direkt», sagte Alan Crombie. «Es läuft grundsätzlich über einen Geistlichen. Das ist der übliche Weg. Wenn man ein Problem hat, wendet man sich an den Gemeindepfarrer, und er entscheidet, ob er den Fall allein regeln kann oder ob er weiteren fachlichen Rat braucht.»
    «Was ist denn in Vowchurch passiert? Ist Dobbs damit fertiggeworden?»
    «Das weiß der Himmel. Einer seiner Grundsätze ist vollkommene Verschwiegenheit. Falls irgendetwas davon an die Presse kommen würde, müssten vermutlich alle Beteiligten vor seinem Zorn in Deckung gehen. Haben Sie denn selbst wieder mit einem kleinen Problem auf diesem Gebiet zu tun, Merrily?»
    «Nein, ich   …»
Ach, was soll’s!
«Ganz im Vertrauen, Alan, derBischof hat mich gebeten, Dobbs’ Nachfolge anzutreten, wenn er   … sich zur Ruhe setzt.»
    «Oh, ich verstehe.» Schweigen, dann ein nervöses Lachen. «Na ja   … besser Sie als ich.»
    «Langsam kommt es mir so vor, als müsste ich mir dafür eine schwarze Tasche und einen großen Hut zulegen.»
    «Meine Güte, mit so etwas fangen Sie am besten gar nicht erst an», hatte Alan mit einem weiteren nervösen Lachen gesagt. «Sonst haben sie sofort alle möglichen Perversen am Hals.»
    Merrily ging die King Street entlang. Vor ihr erhob sich das massige Gebäude der Kathedrale. Sie hatte keine Ahnung, wie Dobbs aussah, und Männer mit großen Hüten und schwarzen Taschen waren nicht in Sicht.
     
    Auch wenn er von außen nicht allzu prächtig wirkte, war der Bischofspalast vermutlich der begehrenswerteste Wohnsitz in Hereford: Neben der Kathedrale, aber noch näher zum Wye hin gelegen, sah er vom anderen Ufer des Flusses aus wie eine Fata Morgana mit seinen großen weißen Fenstern in der alten rötlichen Backsteinfassade und seinen baumgesäumten Rasenflächen, die zum Wasser hin sanft abfielen. Man rechnete fast damit, dass sich diese Erscheinung plötzlich in nichts auflösen könnte.
    Merrily war im Bischofspalast noch nie weiter gekommen als bis zum aufwändig restaurierten Großen Saal aus dem zwölften Jahrhundert, in dem gelegentlich Empfänge abgehalten wurden. Heute schaffte sie es nicht einmal quer über den Innenhof. Sophie Hill, die elegante, weißhaarige Laiensekretärin des Bischofs, erwartete sie schon am Eingang und steuerte sie durch eine Tür des Torhauses und dann eine steinerne Wendeltreppe mit etwa zwanzig Stufen hinauf.
    «Es ist nicht sehr groß, aber Michael dachte, das würde Ihnen ohnehin besser gefallen.»
    «Ich glaube, ich verstehe nicht ganz.» Merrily nahm ihren Schal ab.
    «Man kann es bestimmt sehr nett einrichten», Sophie langte an ihr vorbei, um die Tür am Kopfende der Treppe aufzustoßen, «mit ein paar Bildern und so weiter. Linksherum bitte, Mrs.   Watkins.»
    Es gab zwei Büroräume im

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