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Mittwinternacht

Mittwinternacht

Titel: Mittwinternacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phil Rickman
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gefährlich. Michael Hunter   – Bischof obercool – war mit Vorsicht zu genießen, wenn er anderer Leute Karriere organisieren wollte.
    Die Morgendämmerung kroch schon über den Himmel, der Wind war kalt. Wie spät war es eigentlich? Wo hatte sie vor all den Stunden das Auto abgestellt? Sie ging die Zufahrt hinunter und bog in die verlassene Straße ein, durch die ein frischer kalter Wind aus den Hügeln wehte.
    Es war die innere Kälte, die ihr Angst machte.
    Ich bin vergewaltigt worden.
Es stand wie mit eisigen Lettern am Himmel.
Er hat mich vergewaltigt.
    Sie fühlte sich schmierig, schleimig, beschmutzt, benutzt. Er hatte seinen Geruch in ihren Körper eindringen lassen, hatte sich ein Eingangsloch hineingekratzt. Und dann war er gestorben, aber sein unreines Wesen hatte er ihr hinterlassen. Sie brauchte eine ausgiebige Dusche, sie musste beten. Musste nachdenken. Denn das wäre einem männlichen Pfarrer, einem männlichen Exorzisten, nicht passiert – hätte ihm gar nicht passieren
können
.
    Ich brauche selbst einen Exorzismus.
    Fahrig zerrte sie den Reißverschluss ihrer alten, gewachsten Jacke zu und ging weiter durch die graue Dämmerung. Sie musste eine offene Kirche finden, und wenn sie keine fand, würde sie in ihre eigene Kirche in Ledwardine gehen. Sie konnte die erbärmlichen, ekelhaften Gedanken an Denzil Joy nicht mit nach Hause zu Jane bringen. Sie musste in einer Kirche für seine Seele beten. Dafür, dass seine Seele irgendwo gereinigt wurde.
    Als sie zum Auto kam, sah sie, dass sie den alten blauen Volvo unmöglich geparkt hatte, auch für drei Uhr morgens. Er stand halb auf dem Rasen der kleinen Grünanlage, von der aus der Pfad zuerst anstieg und dann zum Wye hin abfiel. Noch ein kurzes Stückchen, und sie hätte das Schild PARKEN VERBOTEN. EINGANG FREI HALTEN umgefahren. Sie wühlte nach ihren Schlüsseln.
    «Entschuldigen Sie, Madam.»
    Er stolperte aus dem Gebüsch; ein großer, massiger Typ in einer Art Rallye-Anorak mit Leuchtstreifen an einem Ärmel. «Ist das Ihr Wagen?»
    «Wer sind Sie?»
    «Polizei. Wie lange hat der Wagen hier gestanden, bitte?»
    Das fehlte ihr gerade noch.
    «Hören Sie, es tut mir leid. Ich hatte es eilig und dachte, es wäre okay.»
    «Wann haben Sie das Auto abgestellt?»
    «Ungefähr um drei Uhr, glaube ich.»
    «Um ins Krankenhaus zu gehen?»
    «Ja.»
    «Darf ich fragen, aus welchem Grund?»
    «Hören Sie», sagte Merrily erschöpft, «ich hätte ihn auf einem richtigen Parkplatz abstellen sollen, das stimmt. Es tut mir sehr leid. Dann geben Sie mir eben ein Knöllchen, und es ist gut. Ich bin ziemlich erledigt. Okay?»
    «Es geht nicht ums Parken, Miss. Würden Sie mir bitte sagen, wie Sie heißen?»
    «Nachdem ich Ihre Dienstmarke gesehen habe.» Merrily schloss den Volvo auf. Wenn er zu lange brauchte, um seinen Ausweis herauszuholen, wäre sie weg. Massigen Kerlen in der Morgendämmerung sollte man besser nicht zu sehr vertrauen.
    «Es ist schon in Ordnung, Peter. Sie ist es.» Eine Frau in einem langen weißen Regenmantel war auf dem Fußpfad zum Fluss aufgetaucht. «Mrs.   Watkins, Pfarrerin. Ich kümmere mich darum.»
    Der große Mann nickte und stapfte den Pfad hinunter.
    Merrily seufzte. «Detective Inspector Howe.»
    «Eigentlich stellvertretender Detective Chief Inspector.»
    «Auf der Überholspur einen Gang raufgeschaltet, was?» Die Erschöpfung weichte Merrilys Zurückhaltung auf. «Lassen Sie mich raten. Ich bin in eine polizeiliche Überwachungsaktion hineingeraten. Schmuggeln die kolumbianischen Drogenbosse ihre Lieferung jetzt schon über den Wye ins Land?»
    Annie Howe lachte nicht. Es fiel Merrily auf, dass sie Annie Howe noch nie hatte lachen hören. Ihr kurzes aschblondes Haar glänzte im Licht der Morgendämmerung wie ein Helm.
    «Ihr Pfarrer habt ziemlich ausgedehnte Arbeitszeiten. Ist ein Gemeindemitglied erkrankt?»
    «Gestorben», sagte Merrily. «Gerade eben.»
    «Offenbar eine höchst geeignete Nacht dafür, Mrs.   Watkins.»
    «Wofür?»
    Annie Howe kam einen Schritt näher und spähte in den Volvo. Sie war vielleicht fünf Jahre jünger als Merrily – eine modebewusste, effektive und extrem gut ausgebildete Kripobeamtin, die mit Turbogeschwindigkeit die Karriereleiter emporschoss. Während des Polizeieinsatzes in Ledwardine im Frühsommer hatte Jane behauptet, Annie Howe erinnere sie an eine Nazi-Zahnärztin.
    «Wir haben eine Leiche aus dem Wye geholt, Mrs.   Watkins. Direkt da unten, in der Nähe der Victoria

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