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Mittwinternacht

Mittwinternacht

Titel: Mittwinternacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phil Rickman
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Exorzismus.»
    «Möglich.» Zu den Dingen, die Merrily nicht erwähnt hatte, gehörten der kratzende Finger und andere Empfindungen. Die subjektiven Aspekte.
    «Mach dir nichts vor.» Jane schenkte Tee nach. «Es ist ein beschissener Job. Die schicken dich mit nichts als ein paar fadenscheinigen Gebeten und Binsenweisheiten los, und mit denen sollst du dann jede Situation bewältigen. Du hast von Anfang an die Loserkarte gezogen.»
    «Also, nicht   …»
    «Das ist genau so wie bei diesen evangelikalen Irren, bei denen man reinkommt, und wenn man ein bisschen blass aussieht, bekommensie in nicht mal drei Minuten raus, dass man von siebzehn verschiedenen Dämonen besessen ist, und als Nächstes wälzt man sich auf dem Boden rum und sabbert. Damit kann man den Leuten richtig
schaden

    «Es geht ein bisschen geordneter zu, aber, tja, ich verstehe, was du meinst. Es ist wirklich das reinste Minenfeld.»
    «Und es ist nichts weiter als nutzlose
Liturgie
. Schließlich, ohne dir zu nahe treten zu wollen, was für eine ordentliche, praxisbezogene Ausbildung hast du schon gehabt? Du hast ja nicht mal so was wie Meditation oder Yoga gemacht. Ich meine   … die theologische Hochschule   … Kann man das, sagen wir, mit zwei Wochen in einem richtigen Ashram vergleichen?»
    «Ich denke schon», sagte Merrily, war sich aber nicht so sicher.
    «Aber du bist spirituell nicht sehr weit, oder? Nicht wie buddhistische Mönche oder indische Gurus und solche Typen. Du kannst schließlich nicht – ich weiß nicht – deinen Körper verlassen oder so was. Du hast einfach nur Bücher gelesen. Und trotzdem wollen sie, dass du mit anderer Leute Seelen rumpfuschst.»
    «Eigentlich ist es Gott, der damit rumpfuscht. Wir sind nur Werkzeuge. Wir glauben nicht, dass wir irgendwelche besonderen Kräfte haben. Wir sind so was wie Wegweiser für den Heiligen Geist.»
    «Hast du dich schon mal gefragt, wieso der Heilige Geist, wenn er so ubiqui   … allgegenwärtig und auf Zack ist, überhaupt einen Wegweiser
braucht

    «Wir müssen den Heiligen Geist zu uns einladen, verstehst du?»
    «Wieso?»
    «Weil das eine der Regeln ist. Tiefentheologie, mein Spatz.»
    «Schwachsinn», murmelte Jane. «Egal, ich würde Hunter damit jedenfalls nicht davonkommen lassen.»
    Merrily hielt mit der Tasse am Mund inne. «Er ist der Chef.»
    «Er ist ein Widerling.»
    «Aber ich werde ihn anrufen. Ich bade, ruhe mich ein bisschen aus, und dann rufe ich ihn an.»
    «Vielleicht kann Rowenna ja ein paar von diesen SA S-Geländelauftypen dazu bringen, den eitlen Mistkerl in einen Schlammgraben zu schubsen», überlegte Jane laut. «Dann kriegt sein toller violetter Trainingsanzug ein paar Matschflecken.»
     
    Der Regen hämmerte gegen die Fenster der Scheune, erste Schneeflocken hatten sich daruntergemischt. Aber Dick war in außerordentlich sonniger Stimmung, als habe sein Streit mit James nie stattgefunden.
    «Also, das ist super hier.» Er drückte seinen Becher mit Kräutertee an die Brust. «Einfach großartig.»
    Und das stimmte. Die kleine Scheune war völlig verwandelt. Sämtliche Kartons waren verschwunden, alles aufgeräumt, alles sauber. Ein Kohlenfeuer loderte in dem einfachen gemauerten Kamin. Auf einem schmalen Wandbrett lagen schwarze Tonscherben. Neben der Treppe zu dem offenen Schlafraum auf dem ehemaligen Heuboden hing ein mit Bleistift und Tinte penibel gezeichneter Plan, der vermutlich die Eisenzeitsiedlung des Volks von Dinedor zeigte – runde Hütten mit gemauerten Sockeln und kegelförmigen Strohdächern. Moon hatte geheimnisvolle Zeichen hinzugefügt: Punkte und Symbole   – Archäologenlatein.
    Waren sie in der Vorführscheune eines Inneneinrichters gelandet?
    «Du hattest recht, und wir hatten unrecht», sagte Dick zu Moon. Doch sein Lächeln galt Lol und bedeutete: Ich hatte recht, und du hattest unrecht.
    Über dem Kamin hing die goldgerahmte Fotografie eines Mannes, der lächelnd an einem Land Rover lehnte. Das Lächeln des Mannes war Moons Lächeln.
    «Wir hatten gedacht, du wärst hier oben ein bisschen weitab vom Schuss», sagte Dick. «Ein bisschen einsam. Aber das ist dein Zuhause, Moon. Was hast du jetzt vor?»
    «Na ja, ich werde wieder anfangen, im Laden zu arbeiten.» Moon trug das lange graue Kleid. Es war frisch gewaschen; ohne den Schlamm am Saum erinnerte es fast an ein Stewardessen-Kleid. Ihr langes Haar hatte sie zu einem lockeren, dicken Zopf geflochten. «Jedenfalls fürs Erste.»
    «Man muss es Tag für Tag

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