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Mittwinternacht

Mittwinternacht

Titel: Mittwinternacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phil Rickman
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neu angehen.»
    «Ich bin keine Alkoholikerin, Dick.»
    Sie lächelte nicht. Sie hatte Lol noch kein einziges Mal angesehen. Er hatte das Gefühl, sie hintergangen zu haben.
    «Was ich
gemeint
habe, Moon», sagte Dick, «war, dass du dich offenbar nicht mehr so getrieben fühlst – von einer Erfahrung zur nächsten zu hetzen. Du warst weg, hast alle möglichen Veränderungen durchlebt, und jetzt bist du zurückgekommen und nimmst deine Vergangenheit wieder in Besitz.
Deine
Vergangenheit,
dein
Zuhause, stabiler Grund – das muss ein wunderbares Gefühl sein.»
    Moon sagte nichts dazu. Dick nahm das als Zustimmung und nickte begeistert. Dieses Ergebnis hatte er sich gewünscht, ein schöner Abschluss eines außergewöhnlichen Falls. Er hatte Moon in seinem Kopf schon bestens einsortiert: Zumindest ein Artikel für
Psychology Today
oder was er sonst abonniert hatte, würde dabei herauskommen. Moons Verfassung hatte sich gebessert. Moon übernahm Verantwortung für ihr Leben.
    Warum hatte sie dann auf Lol noch nie zuvor rätselhafter gewirkt? Was hatte sie plötzlich dazu gebracht, in dieser Scheune durchzustarten wie eine professionelle Putzkolonne? Als hätte sie gewusst, dass sie kamen. Oder jemand anders? Als hätte sie beschlossen, dass die Scheune das Bild einer ausgeglichenen, etablierten Akademikerin widerspiegeln sollte.
    Es war nur Fassade, es konnte gar nicht anders sein.
    Außerdem beunruhigte ihn das Bild ihres lächelnden Vaters. Dick hatte es auch bemerkt, aber nichts dazu gesagt. Lol sah sich die Fotografie näher an. Bei der Aufnahme war Moons Vater vermutlich in Dicks Alter gewesen – Anfang, Mitte vierzig. Moon sah ihm ähnlicher als Denny, das gleiche Lächeln und die gleichen tiefliegenden, glänzenden Augen. Etwas Schwarzes, Knorriges lag auf dem Kaminsims unter dem Bild. Lol beugte sich darüber, um es sich näher anzusehen.
    «Fass das nicht an!» Moon rannte förmlich durch den Raum und stellte sich zwischen Lol und den Kamin.
    Lol trat einen Schritt zurück. «Entschuldige   …»
    «Es ist sehr empfindlich.»
    «Was ist das?»
    «Ich habe es gefunden. Es hat hier ganz in der Nähe der Scheune gelegen. Irgendwann hat dort jemand angefangen, einen Teich zu graben, ist aber nie fertig geworden, und daneben lag der Erdaushub, und daraus hat es ein Stück herausgeragt.»
    Sie ging zur Seite, damit er sich das Objekt ansehen konnte, nachdem er jetzt wusste, dass er es nicht anfassen sollte. Es war knubbelig und korrodiert und etwa so lang wie ein Unterarm.
    «Jeder andere, der sich mit solchen Sachen nicht auskennt, hätte es für ein Stück von einem alten Traktor oder so gehalten. Ich meine, hier oben ist schließlich nie besonders viel gefunden worden. Einmal wurde ein Probegraben vom Wall zur Mitte der Siedlung angelegt, und dabei haben sie bloß eine Menge schwarze Tonscherben und einen Axtkopf gefunden.»
    «Es ist ein Dolch», startete Lol einen Versuch.
    «Ein Schwert. Ich sehe darin die Bestätigung dafür, dass es den Bauernhof – nicht unbedingt das Gebäude, aber den
Bauernhof
– hier seit der Eisenzeit gegeben hat. Verstehst du es jetzt?»
    «Schicksal», sagte Lol tonlos.
    «O nein», sagte Moon. «Das Schicksal ist viel willkürlicher.»
    «Was meinst du damit?»
    Moon schüttelte den Kopf. Er glaubte, ein winziges Lächeln um ihre Lippen spielen zu sehen.
    «Du könntest es in ein Museum bringen, damit es professionell gereinigt wird.»
    Moon war entsetzt. «Niemand außer mir darf es berühren. Ich will nicht, dass die Verbindung durch die Schwingungen von jemand anderem unterbrochen wird.»
    «Das ist doch alles sehr schön für dich, Moon», sagte Dick. «Hör mal, wir sollten uns bei Gelegenheit noch ausführlicher unterhalten.»
    «Ja, aber nicht heute», sagte Moon. «Meine Vermieter kommen zum Essen rüber. Tim und Anna Purefoy. Vom Bauernhaus.»
    «Ah.» Dick nickte. «Sehr gut. Du lernst die Nachbarn kennen.»
    «Ich spreche mit allen Leuten, die um den Hügel wohnen – für mein Buch. Wenn ich untersuchen will, wie die Bewohnerschaft sich in den letzten beiden Jahrtausenden verändert hat, muss ich ihre Zusammensetzung kennen. Ein paar von den neu Zugezogenen sind auch ziemlich interessiert an dem Thema. Sie werden mir helfen.»
    «Großartig.» Dick sah aus, als wolle er ihr gleich die Wange tätscheln. «Ich kann’s kaum erwarten, dein Buch zu lesen.»
     
    Später, als Dick sich damit amüsierte, den Mitsubishi aus dem Schlammloch herauszumanövrieren, wo

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