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Mittwinternacht

Mittwinternacht

Titel: Mittwinternacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phil Rickman
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mit; stattdessen suchen sie dich Zentimeter für Zentimeter nach einem Zeichen der Schwäche ab. Du solltest dich nach dem Mittagessen unbedingt ein oder zwei Stunden hinlegen. Sag deinem Kind, es soll den Telefondienst übernehmen.»
     
    Jane saß mit Ethel auf dem Schoß in dem Spülküchen-Büro ihrer Mutter. Vor ihr auf dem Tisch lag ihr einziger Einkauf von der Esoterik-Messe. Eine Secondhand-Ausgabe von Alice A.   Baileys
Eine Abhandlung über kosmisches Feuer.
Jane verstand nicht, wie ein Buch mit einem so coolen Titel so unzugänglich sein konnte. Manchmal las es sich wie eine von diesen klischeehaften Fantasy-Sagas, die sie als Kind nur so verschlungen hatte – na ja, eigentlich bis voriges Jahr   –, mit den ganzen Verweisen auf Siebengestaltige Herren und so weiter. Nur, dass das hier die Wirklichkeit war. Gab es keinen
einfacheren
Weg zur Erkenntnis?
    In ihrer Tasche steckte die Telefonnummer, die ihr Angela gegeben hatte.
    Sorrel.
    Sie nahm den Zettel heraus und schob ihn wieder zurück. Stattdessen wählte sie Lols Nummer. Mom hatte sehr wenig über die vergangene Nacht erzählt – abgesehen von Dobbs’ Schlaganfall. Echt schlimm, aber der alte Knabe war eindeutig total durchgeknallt, und seine Ansichten über Frauen im Priesteramt waren komplett überholt. Wenn man schon eine Seelenpolizei brauchte – und die brauchte man
eindeutig
–, dann sollte es besser jemand machen wie Mom, die wenigstens einigermaßen liberal war. Dobbs hätte sich schon längst vom Amt zurückziehen müssen, er konnte ja Rosen züchten oder so was.
    Jane kraulte Ethel hinter dem linken Ohr, bis die schwarze Katze ihren Hals streckte, wohlig schnurrte und einen Orgasmus vortäuschte.
    Lol ging nicht ans Telefon. Mom hatte bloß erzählt, dass sie zusammen Kaffee getrunken hatten. Das war nicht so gut, wie vollkommen durchnässt anzukommen und seine Kleider auf Lols Kaminvorleger ausziehen zu müssen, damit sie trocknen konnten, aber immerhin.
    Jane legte auf, klappte das Buch zu und setzte Ethel auf den Teppich.
    Dann holte sie tief Luft und zog den Zettel wieder aus der Tasche.
     
    Denny hatte sein Studio mit einem 2 4-Spur -Tonaufnahmegerät aufgerüstet. «Das muss jetzt reichen», sagte er. «
Finito.
Ich glaube, wir verlassen uns sowieso schon zu sehr auf die Technik. Das hat mit Rock’n’ Roll nichts mehr zu tun. Als ich jung war, hatte man einen Grundig mit zwei Spuren in irgendeiner Garage stehen und war verdammt zufrieden damit.»
    «Was soll denn ein Grundig sein?», frage James Lydens Freund Eirion, der gerade seinen Bass auspackte.
    «Vergiss es», sagte Denny.
    Das Haus war keine halbe Meile von Dicks entfernt und etwa genauso alt, aber es lag etwas zurückgesetzt am Ende einer längeren Zufahrt. Genau richtig für ein Haus mit Tonstudio im Keller. Trotzdem hatte Denny viel Geld für die Schallisolierung ausgegeben. Die Einrichtung eines Vorraums und die selbst aufgebauten Isolierwände hatten den Hauptraum des Kellers um zwei Drittel verkleinert. Jetzt standen sie zu viert in dem verglasten Regieraum vor Dennys riesigem Mischpult. Es war eine warme, sichere kleine Welt.
    «War das hier der Weinkeller?», wollte James wissen, der sich offenbar fragte, was Denny mit all dem Wein gemacht hatte.
    «Kohlenkeller», giftete Denny.
    James hatte keine Fender Stratocaster. Er hatte eine Gibson-Les-Paul-Kopie, und zwar eine gute. Man musste schon ganz genau hinsehen, um es erkennen zu können. Er sah sich um. «Ich hab so
ungefähr
eine Idee, wie die Anlage hier funktioniert, aber vielleicht könntet ihr für alle Fälle noch ein oder zwei Stunden dableiben, bevor wir allein weitermachen.»
    Lol blinzelte. Sie erwarteten, dass Denny sie mit seiner Anlage allein ließ? Aber Denny hatte gar nicht zugehört. Er kroch gerade fluchend mit einer Taschenlampe irgendwo unter dem Mischpult herum. Lol fragte sich, ob James sich wirklich falsche Vorstellungen machte oder nur seine Grenzen austestete. Er wirkte so, alswürde er gerne mal versuchen, ein bisschen mehr rauszuschlagen.
    Und dabei hat er wahrscheinlich gute Karten, dachte Lol. Der Junge sah auf eine herbe, irgendwie patrizische Art gut aus. Und er war groß – fast einen Kopf größer als Dick. Zudem war er erheblich schlanker als Dick – der für James vermutlich schon seit Jahren kein Vorbild mehr war. So ungefähr, seit James sechs Jahre alt geworden war.
    «Die Hazey-Jane-Alben haben mir ziemlich gut gefallen», sagte er zu Lol. «Du warst echt ein guter

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