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Mittwinternacht

Mittwinternacht

Titel: Mittwinternacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phil Rickman
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echter Priester war?»
    «Ich habe ihn ja nicht selbst gesehen. Tessa meinte, er hätte einen Priesterkragen getragen. Außerdem war er in Hut und Schal, sodass sie nicht viel von seinem Gesicht erkennen konnte.»
    «Haben die Schwestern nach Dobbs gesehen, als der Mann gegangen war?»
    «Keine Veränderung. Er liegt immer noch so still und unbeweglich da wie eine Leiche. Manchmal sind seine Augen offen, das ist alles. Was sollen wir machen? Meinst du, wir sollten die Polizei rufen?»
    «Ehrlich gesagt, weiß ich nicht, was die Polizei da tun könnte. Aber falls er nochmal auftaucht   … würdest du mich dann bitte anrufen?»
    «Merrily», sagte Cullen, «wenn der Typ auftaucht, während ich Dienst habe, weißt du Bescheid, noch bevor er den zweiten Fuß in unsere gesegnete Station gesetzt hat.»

22
Der Erlass
    Montagmorgen, und Jane fühlte sich gut – das war eine Seltenheit. Sie lag im Bett und wartete auf die Dämmerung.
    Sie hatte von hier aus schon Hunderte von Morgendämmerungen gesehen, da ihr Bett auf das Ostfenster ausgerichtet war. Feng-Shui-mäßig war das nicht besonders toll, aber man sah die Sonne über dem Hügel aufgehen, und das war heute das Wichtigste.
    Jane ließ das Treffen vom vergangenen Abend noch einmal vor sich ablaufen. Sie wunderte sich immer noch darüber, wie unheimlich
cool
es von Sorrel gewesen war, Rowenna und sie einfach ohne weiteres einzuladen. Jane hatte Rowenna angerufen, und Ro meinte: «Hör mal, wir sagen ihnen besser nicht, dass wir noch zur Schule gehen. Solche Leute haben immer Angst, dass die Eltern was rausfinden und Stress machen.» Sie hatten sich als Büroangestellte ausgegeben – obercool. Sorrel, die vermutlich in Moms Alter war, hatte neben einer älteren Frau namens Patricia gesessen, die so eine Art Gruppenleiterin und ziemlich heftig drauf war. Patricia hatte sie mit ihrer sanften, wissenden Stimme ausgefragt. «Wie wichtig ist es euch, den inneren Weg zu finden? Seid ihr wirklich bereit, so viel Arbeit auf euch zu nehmen? Die meisten Mädchen in eurem Alter gehen lieber aus und genießen das Leben.»
    Das brachte einen schon zum Nachdenken, oder? Man konnte Jahre auf der Suche nach Erkenntnis verbringen und trotzdem mit vierzig oder so desillusioniert aufgeben. Die Lösung war:Man gab sich ein halbes Jahr Zeit, und wenn dann noch nichts herausgekommen war, hörte man einfach wieder damit auf.
    Immer noch keine Dämmerung, dabei war es schon fast sieben. Mom war vermutlich schon auf, weil   … Ja!   … Mom traf sich mit Lol in Hereford.
    Jane wusste nicht, worum es bei diesem Treffen ging und warum es so früh sein musste, aber das spielte keine Rolle. Mystic Jane hatte einen Riesencoup gelandet, als sie neulich Nacht den Stein ins Rollen gebracht hatte. Ein klassischer Fall, wenn man mal richtig darüber nachdachte: Lol, der Merrily aus der Kälte holte und ihr Zuflucht bot, genau wie sie es damals für ihn getan hatte. Mom legte immer noch Riesenwert auf dieses Zufluchts-Ding, sie hatte schon als Hilfsgeistliche in Liverpool ständig versucht, alle möglichen Nutten und Penner zu retten.
    Es wäre wirklich gut, Lol wieder in der Nähe zu haben. Diese Moon – sie war total falsch für ihn. Man brauchte sie nur ein bisschen in diesem Laden zu beobachten, um zu wissen, dass sie unnahbar und egozentrisch war. O.   k., sie sah ziemlich gut aus und war ungefähr zehn Jahre jünger als Mom. Aber Mom war immer noch sexy. Na ja, sie
konnte
sexy sein, wenn sie wollte.
    Jane stellte sich gerade vor, wie ihre Mom auf der Kanzel mit einem halben Pfund schwarzer Wimperntusche aussehen würde, als sie mitbekam, dass endlich von Osten her leichte Helligkeit über den Nachthimmel kroch. Patricia hatte gesagt, man müsse auf die Sonne selbst warten, aber was war, wenn sie nicht auftauchte, bevor man zum Schulbus oder sonst wohin musste?
    Sie stieg aus dem Bett, ging feierlich zum Ostfenster und öffnete es so weit wie möglich. Es war verdammt
scheißkalt
!
    Gut! Jane holte tief Luft und breitete die Arme aus.
    Jetzt kam ihre erste Übung. Sie hatte den Text, den ihnen Patricia gegeben hatte, auf eine alte Glückwunschkarte geschrieben, die sie schon auf das Fensterbrett gelegt hatte. Sie stellte sich vor,wie Rowenna gerade in ihrem großen neuen Haus in Credenhill, in dem Jane noch nie gewesen war, am Fenster stand.
    Dann stellte sie sich Patricia und Sorrel vor – sie waren jetzt so eine Art Schwestern.
    O.   k. Sie atmete die kalte Luft tief ein und musste

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