Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mittwinternacht

Mittwinternacht

Titel: Mittwinternacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phil Rickman
Vom Netzwerk:
Unsinn», sagte Tim Purefoy, «aber bei Sonnenuntergang kann man sich wirklich leicht als Herrscher über die Stadt fühlen. Kommen Sie, trinken wir einen Kaffee.»
    Lol schüttelte sich, um die unwirkliche Stimmung loszuwerden.
     
    Das Bauernhaus war dreistöckig und weiß verputzt. Mit seinen vielen unregelmäßigen Fenstern wirkte es fast so alt wie der Hügel selbst. Wie konnte Moon nur in dieser feuchten Senke in der von Bäumen bedrängten Scheune wohnen, wenn sie wusste, dass ihre Familie dieses Haus, diese Aussicht verloren hatte?
    «Anna!» Tim Purefoy stieß die Tür einer seitlich ans Haus angebauten Holzveranda auf. «Kaffee, Liebling!» Er hielt Lol die Tür auf. «Herein, herein. Machen Sie sich keine Sorgen wegen der Stiefel. Der Boden ist gefliest, und heute Morgen sieht es hier sowieso katastrophal aus.»
    In der enormen Küche wurden kugelförmige Hängelampen angeschaltet. Antike Holzmöbel schimmerten honigfarben, und ein alter, cremefarbener Aga-Doppelherd verbreitete wohlige Wärmeim Raum. Lol empfand den jähen Temperaturwechsel wie einen Schlag.
    «Eine Sekunde   …» Die Frau, die vor dem Herd kniete, trug Jeans und eine braune Schürze über einem langen, bunten Pullover. Ihr helles Haar war mit einem gelben Seidentuch zurückgebunden.
    «Meine Frau, Anna.» Tim Purefoy nahm die Kappe ab, und darunter kamen federnde weißblonde Locken zum Vorschein. «Liebling, dieser junge Mann ist ein Freund von Katherine – die mal wieder im Wald verschwunden zu sein scheint.»
    «Du meine Güte. Na ja, untypisch ist das ja nicht.» Anna Purefoy schloss die Herdklappe, sprang auf und klopfte sich die mehligen Hände an der Schürze ab. «Ich backe gerade Brot. Man kann zwar in mindestens einem halben Dutzend Läden in der Stadt wunderbares Brot kaufen, aber wenn man in so einem alten Haus wohnt, fühlt man sich fast
verpflichtet
, selbst welches zu backen. Wissen Sie, was ich meine?»
    Lol nickte. «Verantwortung gegenüber den Vorfahren.»
    «Donnerwetter», sagte Tim. «Dieser Mann kennt Katherine wirklich.»
    «Schön, wenn es jemanden gibt, der das tut.» Anna schob mit sorgenvoll verzogenem Gesicht Stühle an einem Refektoriumstisch zurecht. Sie war vermutlich fünfzehn Jahre älter, als sie auf den ersten Blick wirkte.
    «Es ist ihr Leben», sagte Tim liebevoll und dann an Lol gewandt: «Meine Frau muss sich immer um irgendwen Sorgen machen.»
    «Ich habe auch einen Laib für Katherine gebacken», sagte Anna. «Wenn sie allein ist, isst sie tagelang nichts.»
    «Ach, Unsinn, Anna!»
    Seine Frau funkelte ihn an. «Tim, ich war in ihrer Küche, im Kühlschrank herrschte vollkommene
Leere
, und das Mädchensitzt über seinen Büchern, Karten und Notizen. Ihre Arbeit ist natürlich sehr interessant, und wir haben eine Menge gelernt, als wir ihr geholfen haben, aber sie ist davon richtig
besessen
, oder? Ich habe wirklich Schuldgefühle.»
    «Sie glaubt, wir hätten Katherine die Pistole auf die Brust gesetzt, damit sie die Scheune mietet.» Tim zog seine Barbour-Jacke aus. Darunter trug er ein Edel-Cowboyhemd mit einer Seidenkrawatte. «In Wahrheit hat eher sie uns die Pistole auf die Brust gesetzt.» Er kniff die Augen zusammen und sah Lol an. «Sie kennen die Geschichte, nehme ich an.»
    Lol nickte langsam. «Ich, mmh, weiß das über ihren Vater.»
    «Grässlich.» Anna schlang die Arme um sich.
    «Wenn ich an ihrer Stelle wäre», sagte Tim, «würde ich keine hundert Meilen im Umkreis wohnen wollen, nachdem so etwas passiert ist. Das Telefon steht übrigens in der Diele. Und vielleicht sollten Sie besser Ihre Jacke ausziehen, damit Sie nachher nicht frieren, wenn Sie wieder rausgehen.»
    Aus der quadratischen Diele, die von Eichenpfosten getragen wurde, rief Lol im Laden an. Niemand hob ab. Dann rief er bei Denny zu Hause an.
    Wütend sagte Denny: «Weg? Wie kann sie weg sein?»
    «Also hast du sie nicht gesehen? Ich bin raufgefahren, um sie abzuholen   …»
    «Was meinst du damit,
um sie abzuholen

    Lol sagte unbehaglich: «Denny, da ist   … nichts zwischen Moon und mir. Und es hat auch nie etwas gegeben.»
    Denny schwieg ein paar Sekunden lang. Dann sagte er: «Das glaub ich nicht. Bist du schwul, oder was, Laurence?»
    «Nein.»
    «Dann, warum verdammt   …? Ich kann nicht   … Sie geht manchmal zu diesen bescheuerten Nachbarn   … ins Bauernhaus.»
    «Von da aus rufe ich dich gerade an, und die beiden haben sienicht gesehen. Sie haben gesagt, Moon geht manchmal auf dem Hügel

Weitere Kostenlose Bücher