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Mobile Röntgenstationen - Roman

Mobile Röntgenstationen - Roman

Titel: Mobile Röntgenstationen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: ATHENA-Verlag e. K.
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einem Steg ein, der eigentlich dem Wirtschaftsleiter Kamblevic·ius gehörte, und war erst gegen Abend wieder am Bus, als auf dem Tanzplatz des Parks ein hiesiges Jugendensemble aufspielte: mit zwei kunstvoll aus einem Brett ausgesägten Elektrogitarren, Schlagzeug und Trompeten. Die Trompeten waren eigentlich überflüssig, aber durfte man zwei aus dem Ort stammende Profis beleidigen, die hier gerade Urlaub machten? Und wo war der Doktor? Der schlüpfte in seinen gut sitzenden grauen Anzug und begab sich, kaum angekommen, zur Post. Bald wussten es alle: ein Anruf in die Hauptstadt, dazu eine Geldüberweisung, dreißig Rubel für irgendeine »ienė«. [13] Weil der Name des Überweisenden Bladžius war und das Geld eine gewisse Augustienė in Empfang nahm, konnte dies nur eines bedeuten: Da hatte einer Alimente zu zahlen. Obwohl der Mann gar nicht aussah wie ein Schürzenjäger. Bezüglich der Alimente gab es bald drei Meinungen. Die erste: Aha, spielt hier den Seriösen, grauer Anzug, helles Hemd, und irgendwo weinen Kinder, die ohne Vater sind oder gar auf der Straße leben. Andere hielten dagegen: Nun, es gibt heutzutage auch Weiber, die nicht ohne sind! Die dritte Meinung war durchaus günstig für Bladžius: Zahlt Alimente, ist also geschieden, geschieden, das heißt frei und noch zu haben. Also vorwärts! Diese amoralische Version vertraten die nicht sehr zahlreichen Damen um die dreißig. Als Bladžius zur Post schritt, ließen sie sich unweit der Seebrücke von den letzten Sonnenstrahlen bescheinen. Und waren prima zu sehen.
    Werfen wir nun einen Blick ins Innere des Busses. Neben den medizinischen Apparaturen gab es hier drei recht bequeme Liegen. Doch vielleicht, damit der Doktor zu jeder Tages- und Nachtzeit die Lungen seiner Patienten kontrollieren konnte, hatte der Fahrer zusammen mit der Laborantin schnell ein grünes Zelt aufgebaut, ein Feuerchen entzündet und einige im See geangelte Fische gebraten. Die beiden ließen einander nicht aus den Augen, und wenn sie der Meinung waren, dass niemand sie beobachtete, auch nicht aus der Umarmung. Nachdem das Zelt stand, hatte das Pärchen jedes Interesse an dem Provinznest verloren, obwohl irgendjemand das Liebeslager nachts mit Rasenbatzen bewarf, ein andermal einen halben Eimer Wasser ins Zelt kippte. Bladžius sprach daraufhin mit dem Abschnittsbevollmächtigten. Hauptmann Aušrotas nickte. Es flogen keine Rasenbatzen mehr. Der Mann wusste, wer dahinter steckte, ergänzte das Dossier einiger Jugendlicher, die bereits im wehrfähigen Alter waren, aber dabei beließ er es. Im Herbst wird man sie alle einziehen, dann werden ihnen andere die Hörner abschlagen, wenn sie wieder Dummheiten machen. Viel besser, als er es vermochte. Wenn er noch nicht mal Lärm geschlagen hatte, als die Brüder Kačiūnai und Krutulukas das Bienenhaus von Lehrer P. verwüstet hatten, würde er doch nicht wegen ein paar Grasbatzen …
    Weil diese Kleinstadt es gewohnt war, ohne Geheimnisse zu leben, oder die Geheimnisse so öffentlich waren, dass es geradezu unmöglich war, sie nicht zu kennen, versteht sich von selbst, dass alles, was ich hier erwähne, auch mir bekannt war. Scherte ich mich darum? Eine Schande, es sich einzugestehen, aber in diesem Sommer kümmerten mich nicht mal meine zahlreichen Freunde und Bekannten in der gegen den Kreml aufbegehrenden Tschechoslowakei. Studenten zogen die Russen vorerst nicht ein, ich konnte hier im Lager sein, während sie … Als ich sie später traf, erzählten fast alle von schönen, gepflegten Städten und dass es dort reichlich zu essen gab, gutes Bier, sogar Mädchen. Einzig ein gewisser Žilvinas Bronskis, künftiger Doktor der Rechte, bewies eifrig, dass man unbedingt hatte einmarschieren müssen, und hätten die dort auch nur den Versuch gemacht, Widerstand zu leisten, dann hätte man ihnen gezeigt, wo der Hammer hängt!
    Gegen Ende dieses Sommers interessierten mich nichts anderes als die spindeldürre Lucija Noriūtė, Lehrerin für russische Sprache und Literatur, ihre manchmal glucksende Stimme und ihr heißer Unterleib. Schlimme jugendliche Traurigkeit hatte mich ergriffen, weil alles schon zu Ende war und nicht mal Versprechungen geblieben waren, sich irgendwann mal wiederzusehen. Keine Banalitäten. Nur ein heiteres Lächeln und dieser Heulanfall am See, als es Krebse gab. Naiv, wie ich war, hatte ich gedacht, ich sei der Grund gewesen. So etwas ging ans Herz, aber es kitzelte auch die Eigenliebe. Nun fühlte ich mich wie

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