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Mobile Röntgenstationen - Roman

Mobile Röntgenstationen - Roman

Titel: Mobile Röntgenstationen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: ATHENA-Verlag e. K.
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ein des Hauses verwiesenes, obdachlos gewordenes Geschöpf, das man sanft über die Schwelle stößt: Hinaus, mein Kindchen, in die weite Welt!
    Am Abend wussten es schon alle: Die Röntgenuntersuchung beginnt am nächsten Tag um neun Uhr und wird sich, die Mittagspause eingerechnet, bis neun Uhr abends erstrecken. Zu dieser Zeit wird es noch hell sein. Es empfiehlt sich, Männer und Frauen, nicht mit Seife zu sparen und allen Schweiß abzuwaschen, saubere Unterwäsche anzuziehen, denn wie ihr alle gut wisst, muss man sich bis zur Hälfte ausziehen. Hier gibt es auch für die Mädchen keinen Grund, sich zu zieren, der Doktor wird sich alles ansehen, das ist nun mal seine Aufgabe! So oder ähnlich ließ er sich vernehmen, Venckus, Arzt und Chef des hiesigen Städtischen Krankenhauses, auch auf die Weiber scharf wie keiner, vielleicht wurde er nur noch vom Lagerleiter in den Schatten gestellt. Oh, der Lagerleiter! Ich erfuhr, dass die Praktikantinnen bereits im Voraus auf delikate Weise gewarnt wurden, dass sie, wenn sie eine gute Charakteristik wünschten für das pädagogische Praktikum, mit ihm hinausrudern mussten, zum nächtlichen Fischfang. Nicht unbedingt nächtlichen, der Geschichts- und Sportlehrer mochte auch ruhige und ein wenig trübe Nachmittage. Hinter einer Biegung des Sees hatte er sein Liebeslager, sogar eine Überdachung gegen den Regen gab es, er hielt sich dort auch einen kleinen Getränkevorrat, der ständig von einem zuverlässigen, in Ufernähe wohnenden Einheimischen ergänzt wurde. Dessen Tochter hatte die Schule mit einer Medaille beendet, dafür hatte der Mann bis zu seinem Lebensende dankbar zu sein. Nur die, die ich mit dem Chef erwischt hatte, auf dem Tisch in der Schulkantine, hatte offenbar Schwierigkeiten gemacht. Vielleicht war ihr die Charakteristik nicht so wichtig oder vielleicht, weil der Liebhaber eine Schnapsfahne hatte. Ich entsinne mich, Aldutė hieß sie. Solche schönen, festen Brüste, ich tanzte mit ihr unter den Linden. Wäre nicht Lucija gewesen, hätte ich mit ihr ein Gespräch begonnen. Zum Beispiel über die von ihr geliebte Mittelstreckendistanz. Über neue Schlager und Estradenmusik. Aber ich tat es nicht, Lucija hatte mich vereinnahmt und das ganz und gar. Aldutė, ich sah es, lief einige Tage mit verheulten Augen herum, offenbar hatte sie ganz ungeplant ihre Unschuld verloren, aber nachdem sie sich ausgeheult hatte, nach dem Tanz, das hab ich auch gesehen, ging sie mit Krutulukas, obwohl ihr klar war, dass der im Herbst zu den Soldaten musste. Was soll’s, Aldutė begann das normale Leben einer jungen Frau, wie schon seit einigen Jahre alle ihre Kolleginnen . So konnte sie in einem gewissem Sinne dem Lagerleiter nur dankbar sein, ein erfahrenes Mannsbild betrug sich doch subtiler als so ein pickeliger Anwärter auf den Posten eines Grenadiers. So deutete mir jedenfalls Lucija das, was ich in der Nacht zu sehen bekommen hatte, und erstmals zuckte ich in ihren Armen verschreckt zusammen: Ganz schön zynisch, Lucija! Aber laut, versteht sich, sagte ich es nicht. Es hätte sofort ein Spektakel gegeben, sie hätte ihre gebräunten Schenkel fest zusammengedrückt, und das erhitzte Ofentürchen wäre verschlossen geblieben. Mir, wem sonst. Der Instinkt gebot mir daher zu schweigen. Das spätere Leben zeigte, dass ich mich sehr richtig verhalten hatte. Damals wusste ich noch nicht, dass mich nicht Lucija selbst anzog, nicht ihre facettenreiche Persönlichkeit, sondern unsere körperliche Liebe, die Neues, noch nicht Erfahrenes zu Tage brachte und mich nicht schlechter fühlen ließ als Kligys selbst, den Lagerleiter. Ja, der hieß Kligys mit Nachnamen, Vincentas, also der Überwinder. Die Praktikantinnen waren übrigens durchaus geneigt, mit dem Chef hinauszurudern, sie streichelten seine Selbstliebe und dann auch das, was er zwischen den Beinen hatte, schlürften unter seinem romantischen Zeltdach gesüßten Hausschnaps, und wenn es dämmerte, ruderten sie selbst den Kapitän in den heimatlichen Hafen. Lucija meinte, diese Fräuleins tauschten offen untereinander ihre Eindrücke aus von diesen Ausflügen, weit davon entfernt zu meinen, das sei irgendeine Sünde. Sowohl Vergnügen als auch Erlebnis, so Lucija. Vielleicht war nur Aldutė anders, aber die ging mit Krutulukas, einem etwas tölpelhaften Burschen mit deutlich zu langen Armen. Als ich die beiden ein Jahrzehnt später in Kaunas traf, an einer Bushaltestelle, erkannte ich ihn, sowohl an dem pockennarbigen Gesicht

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