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Mobile Röntgenstationen - Roman

Mobile Röntgenstationen - Roman

Titel: Mobile Röntgenstationen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: ATHENA-Verlag e. K.
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Reiseschreibmaschinen und Transistorradios. Während besagte Funkstationen und Schreibmaschinen nirgendwo im Handel erhältlich waren, wurden Transistorradios, freilich recht klobig in der Form, frei verkauft, und einige »Stimmen«, wenn auch gestört durch schlimmes Knattern, Pfeifen und Rauschen, erreichten dennoch das empfindliche Ohr. Wo sonst hätte Stasys erfahren, was Winston Churchill gesagt hat? Noch bevor die lettischen Selga und VEF im Handel waren, gab es Empfänger von der Größe eines Soldatenkoffers, sie mit sich zu führen, war wirklich nicht leicht, aber möglich. Nicht jeder konnte sie sich leisten, wer jedoch so ein Ding erstand, der hörte am Flussufer oder im Wald von den Aggressionsgelüsten der US-Imperialisten, den Umtrieben westdeutscher Revanchisten und den nicht abreißenden Errungenschaften unseres großen Landes zu Wasser, zu Lande und in der Luft.
    Den Begriff der Mobilität würde ich gern zu Hilfe nehmen, um das Leben in Schulinternaten, in Jurten, Eisenbahnwaggons und Wohnheimen zu charakterisieren. Niemals gelang es einem Menschen, sich an einen anderen zu binden, auch nicht, sich an irgendwelchen Besitz zu klammern, an klimatische Besonderheiten zu gewöhnen oder an örtliche Gegebenheiten. Jeden Tag konnte es passieren, dass er wieder sein Bündel zu schnüren hatte, man wusste es im Voraus und machte sich darüber keine Gedanken. Neue Bekanntschaften winkten irgendwo, neues Leben wurde gezeugt, irgendwo. Mit gleicher Selbstverständlichkeit wurde ein Freund, Bruder oder Genosse auf dem letzten Weg begleitet, dem in die Ewigkeit. An ein Jenseits zu glauben war damals unpopulär, diese Mode kehrte sehr verspätet zurück … Jener Idee des Transportablen und Mobilen entsprachen auch die Kollektivgärten, auch hier galt so manches als beweglich. Fast war es gelungen, den lästigen Besitzinstinkt aus dem menschlichen Bewusstsein herauszureißen: Hier ist meine Frau. Warum nur deine? Auch meine! Das sind meine Kinder. Kinder gehören dem Staat! Er zieht sie auf, bekleidet sie, bringt ihnen das Schießen bei, erklärt ihnen, wie man eine Wunde verbindet oder Militärblusen näht. Mein Garten. Ein ganz und gar unpassender Begriff. Der Garten gehört allen und zuallererst das Obst und das Gemüse darin, selbst die Kartoffeln! Was heißt schon, du hast das aufgezogen! Und wer fertigt für dich die Schuhe, näht dir eine Mütze? Für dich wird Kohle gefördert, rotieren die Drehbänke, und sogar die Menschen in den Gefängnissen sitzen für deine Sünden! Also sei so gut und reg dich nicht auf, wenn sich da einer im Vorbeigehen einen Apfel pflückt, eine Möhre ausgräbt oder eine Rebe mitnimmt von deinen ohnehin sauren nördlichen Weintrauben.
    Wenn ein Mensch sechzehn oder siebzehn ist, dann glaubt er noch auf alberne Weise, dass eine Menge Dinge dieser Welt erst mit ihm zusammen entdeckt wurden – Bewässerungskanäle, Fernsehen, Gasballons, selbst eine Wasserleitung … Wie enttäuscht war ich, als ich erfuhr, dass Wasserleitungen schon von den alten Römern genutzt wurden, und man selbst musste es noch immer aus einem Brunnen schöpfen und auf diese Weise Gurken gießen, von denen man kaum etwas hatte, und Tomaten, die nach einem heftigen Regen schwarz wurden und faulten.
    Gewiss, die Ausflüge in den Kosmos, die Sputniks, die Hunde darin, danach Gagarin, all das war durchaus neu … Aber die Automaten in den Cafés? Unerschütterlich hatte ich geglaubt, Chruščëv selbst habe sie erdacht. Na, vielleicht hatte er ein wenig abgeguckt bei den Franzosen oder Amerikanern. Erst nach einem Vierteljahrhundert, ich las Jüngers Roman über die Fremdenlegion, erfuhr ich, dass solche Automaten, in die man eine zuvor erstandene Marke einwirft und einen Teller Suppe, ein Glas Wein, Salat oder Schinken erhält, in Europa schon vor dem Ersten Weltkrieg genutzt wurden. Oder Selbstbedienungsgaststätten, einst ein Wunder für einen Halbwüchsigen wie mich. Wenn es alles schon gab, dann existierten vielleicht auch die Mobilen Röntgenstationen schon im Altertum? Und waren nur nicht so lang und so mächtig?
    Denkt man genauer nach, dann schienen die damaligen Mängel auch mobilen Charakters, sie waren immer nur vorübergehend. Dennoch, eine Mehrzahl ist sich heute einig: Wären nicht die Imperialisten gewesen, die Zionisten und die Priester, der Kommunismus wäre ruckzuck aufgebaut worden! Klar, manch einer hätte dann wieder gewinselt oder aus Wut mit den Zähnen geknirscht, die Gefängnisse

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