Mobile Röntgenstationen - Roman
sicher kontrollieren.
Kann sein. Bedauerlich, dass du so arm bist. Tausend Rubel, und sie würden dich für immer wehrunfähig erklären. Schreib deiner Freundin. Vielleicht verkaufen ihre Eltern eine Kuh!
Instinktiv verpasste ich Hrasilda Giedriūtė eine Ohrfeige, rechts und links. Sie fauchte wie ein Luchs, wollte es mir zurückgeben, aber ich hielt sie an den Handgelenken fest. Schließlich gab sie nach.
Nimm’s mir nicht übel. Diesmal hab ich überzogen.
Sie wurde am nächsten Morgen entlassen, ich schlief noch. Die Nacht über hatte ich gelesen, hätte gern bis Mittag durchgepennt. Nur diesmal wurde ich, ruppig wie nie zuvor, von der Dienst habenden Schwester geweckt, irgendeiner Mascha oder Dascha: podëm, salaga! [40] Ich war wütend und gereizt, brachte kaum die Augen auf. Die Schwester stand da mit einem leeren Dreiliterglas, so einem, mit dem ich manchmal gezapftes Bier geholt hatte. Jetzt konnte von Bier keine Rede sein. Ich wartete, was auf mich zukommen würde.
Das Glas voll, erklärte Dascha unwillig. Wird gebraucht, für Untersuchungen.
Voll? Ich war baff. Sofort?
Nicht sofort, beruhigte sie mich. Zwei, drei Tage hast du Zeit. Randvoll. Trink ordentlich, dann geht’s mit dem Pinkeln schneller. So werden sich auch die Untersuchungen beschleunigen. Dann geht es ab nach Hause.
Was die sich nicht alles ausdachten. Warum nicht Urin abliefern für Untersuchungen, aber drei Liter? Auch der sympathische Zivilarzt, der des Öfteren über meinen unmenschlich hohen Blutdruck entsetzt war, gab sich diesmal weniger freundlich.
Es gibt da jemanden, mein Freund, der sich sehr um dich kümmert! Ich hab eine Anweisung bekommen. Warum drei Liter? Wir werden deinen Augenhintergrund untersuchen. Dann wird sich herausstellen, ob der Blutdruck echt ist oder – künstlich!
Klar, dass er künstlich ist! Das hätte ich fast herausgebrüllt, ich hatte Mühe, mich zu beherrschen. Alle meine Anstrengungen waren für die Katz gewesen! Es gab offenbar eine geheime Methode, Simulation festzustellen. Indem man den Augenhintergrund untersuchte. Da befehlen sie einem, drei Liter abzulassen, und sagen: Wir untersuchen den Augenhintergrund! Letzteres leuchtete immerhin ein, die Augen gelten als Spiegel der Seele. Aber das andere? Und dann noch drei Liter? Aber wer erklärt einem wie mir schon die Untersuchungsmethodik. Einen halben Liter hatte ich schon zusammen. Da blieb noch einiges zu tun.
Ich staunte, als schon am nächsten Nachmittag Hrasilda auftauchte. Elegant, dezent geschminkt. Sie rief mich auf den Korridor hinaus, und wie von selbst gelangten wir an den Ort des Geschehens , in unser rotgepolstertes Liebesnest, unseren Unterhaltungs- und Rachesalon. Aber nicht das interessierte Hrasilda jetzt. Sie schien todernst. Zog aus ihrer Handtasche – aus echtem Leder, geschmackvoll – ein Kuvert:
Hör zu, mein Junge. Hier sind diese Tausend. Du wirst sie Gračiovas geben, dem Major. Alles andere ist nicht deine Angelegenheit. Mit wem er es teilt und so weiter.
Ich glotzte sie verständnislos an.
Keine Bange, das hier ist keine Wohlfahrtshilfe. Du unterschreibst einen Schuldschein. Und wirst das Geld zurückzahlen, sobald du dazu in der Lage bist. Du kennst mich.
Sie sprach in feierlichem Tonfall, aber ich freute mich kein bisschen. Du nimmst dieses Kuvert, dachte ich, und wirst sogleich zur Geisel: Hrasildas, Gračiovas’, des Systems. Tausend Rubel! Ich wusste nicht, ob ich jemals so viel Geld gesehen hatte. Beinahe ein Stipendium für drei Jahre.
Wo hast du das her, Hrasė?
Das brauchst du nicht zu wissen. Hab eine Tante ausgeraubt. Sie hat es nicht mal gemerkt. Nimm!
Ich nahm das Kuvert an mich. Und ich kann es nicht anders sagen, es versengte mir die Finger.
Sobald Gračiovas auftaucht und ihr allein seid, gibst du es ihm. Er weiß Bescheid.
Er wird meinen Augendruck untersuchen. Nach der Urin-Methode. Er wird feststellen, dass ich …
Er wird es so machen, dass du als wehruntauglich anerkannt wirst.
Für eine Schachtel Pralinen, die mir Hrasilda hinterließ, ließ ich mir noch vor dem Abendessen von der Lagerverwalterin meine Zivilsachen herausgeben. – Es ist ganz ganz dringend, liebe Frau! Und nachdem ich noch einmal Milchsuppe gelöffelt und dazu eine Scheibe Weißbrot gegessen hatte, rauchte ich das letzte Mal in diesem Krankenzimmer, pisste ins Glas – bis zur Hälfte! – und gelangte durch eine Hintertür, die nur mit einem rostigen, aber starken Haken gesichert war, in den Krankenhausgarten.
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