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Titel: Mobile Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Richter
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er uns zerstören, unsere Familie kaputt machen.«
    »Er hat einen anderen Antrieb, Caro, eine andere Motivation. Er weiß bereits mehr als wir, aber das reicht ihm nicht. Er sieht uns als Chance, herauszufinden, was hinter alldem steckt. Wir haben es hier mit einer Situation zu tun, in der beide Seiten voneinander profitieren können.«
    Carola sah an Joachim vorbei, ihr leerer Blick hatte kein Ziel.
    »Wir müssen ihm vertrauen, Caro, zumindest bis auf weiteres. Mach' einen Haken hinter die alte Geschichte, streich' sie aus deinem Kopf. Wenigstens vorerst. Es geht um Daniel, um unseren Sohn. Alles andere spielt jetzt keine Rolle.«
    Sie nickte leicht, ohne sich dessen bewusst zu sein. »Ich werde ihn nicht eine Sekunde lang aus den Augen lassen«, murmelte sie. »Und wehe ihm, er versucht irgendeine linke Tour.«
     
    Sie fanden Michael im Kinderzimmer. Er hatte das Deckenlicht angeschaltet, stand an Daniels Bett und betrachtete den Jungen. Als Carola und Michael eintraten, sah er kurz auf und sagte leise: »Hübscher Bengel. Wundert mich nicht, bei den Eltern und insbesondere bei der Mutter. Ich habe mir früher auch ein Kind gewünscht. Fast hätte es geklappt, aber dann klopfte das Schicksal bei mir an. Manchmal klopft das Schicksal laut und manchmal klopft es leise, kaum hörbar. Bei mir klopft es gerne besonders laut.« Er ergriff die rot-weiß gestreifte Figur. »Ich habe mir unseren kleinen Streithammel schon mal angesehen, dieses Schreckgespenst aus lackiertem Holz. Sieht eigentlich ganz harmlos aus.« Er ließ die Figur los. Das Mobile tanzte.
    »Wirklich ein hübsches Kind«, murmelte Michael vor sich hin und starrte abwesend in das Bett. Carola trat neben ihn. Sie beugte sich über das Kinderbett und küsste ihren Sohn sanft auf die Stirn. Auch Joachim trat hinzu. Alle schwiegen. Einige Sekunden verstrichen, dann sagte Michael leise: »So, und nun lasst uns anfangen.«
     
    »Es geschieht überall auf der Welt«, sagte Michael und legte das Fotoalbum auf den Tisch, das er soeben aus der Sporttasche herausgeholt hatte. Er setzte sich zu Carola und Joachim an den Esstisch und trank einen Schluck aus der Bierflasche.
    »Was geschieht überall auf der Welt?«, fragte Joachim.
    »Kinder. Die spurlos verschwinden. Praktisch wie von Geisterhand.«
    »Ja, und?«
    »Ich rede nicht von entführten und verschleppten Kindern, nicht von ermordeten und verscharrten. Ich rede von denen, die eben noch da waren. Vor einer Sekunde noch. Die vielleicht gemeinsam mit ihren Eltern am Tisch gesessen haben, so wie wir jetzt hier gemeinsam sitzen. Und plötzlich sind diese Kinder weg, obgleich sie den Tisch nicht verlassen haben, nicht aufgestanden sind. Sie haben sich einfach ...« - Michael schnippte mit den Fingern - »... in Luft aufgelöst.«
    Während Joachim Michael fragend ansah, verdrehte Carola die Augen.
    »Ich hatte eine Zeitlang Meldungen gesammelt und hier eingeklebt.« Michael klopfte auf das Fotoalbum. »Zeitungen, Zeitschriften, manchmal habe ich ein paar Notizen gemacht und eingeklebt, wenn ich etwas gehört habe, das nicht veröffentlicht wurde. Eine Zeitlang war ich davon wie besessen, doch dann spürte ich, dass mich die Besessenheit immer mehr betrübte, einsamer machte. Und weshalb? Weil ich mich darüber mit niemanden austauschen konnte. In unser aller Leben gibt es Dinge, die wir vor anderen Menschen zurückhalten. Geheimnisse, Sehnsüchte, Begierden. Wir verbergen sie selbst vor jenen, denen wir vertrauen. Wir schweigen aus Angst, aus Scham, aus Feigheit ... - was welcher Motivation auch immer. Doch das Schweigen birgt die Gefahr, dass wir aus Selbstschutz mit dem Verdrängen beginnen.«
    »Es wäre traumhaft, wenn du jetzt endlich mal Klartext redest«, sagte Carola genervt.
    Michael ignorierte sie. Er leerte seine Flasche, sah Joachim an und sagt e: »Diese Entführung damals ... - das war die offizielle Version gewesen. In Wirklichkeit war es ganz anders.«
    Joachim legte die Stirn in Falten. »Wovon sprichst du?«
    »Von Ulrich, meinem Bruder. Erinnerst du dich nicht mehr an meinen kleinen Bruder Uli?«
    »Ich weiß, dass du einen Bruder hattest, aber ic h sehe ihn nicht mehr vor mir, es ist zu lange her.«
    »Eines Tages war Uli weg. Verschwunden. Er tauchte nicht mehr auf.«
    Joachim nickte stumm. Seine Erinnerung kehrte in ersten blassen Bildern zurück.
    »Alle dachten an eine Entführung. Die Bullen hatte n natürlich meine Mutter in Verdacht. Liegt ja auch auf der Hand, man muss sich das

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