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Titel: Mobile Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Richter
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einziger Wunsch an diesem beschissenen Tag, also sei so gut und erfülle ihn mir.«
    »Klar. Mundhalten. K ein Problem.«
    Joachim schüttelte genervt den Kopf und blickte wieder aus dem Fenster. Langsam quälte sich das Taxi durch den Londoner Abendverkehr gen Osten. Eine Viertelstunde später stoppte der Fahrer vor einem kleinen Geschäft und Michael sprang raus und deckte sich mit einem Sechserträger Dosenbier ein. Anschließend setzten sie die Fahrt fort. Fast zwei Stunden lang fiel kein einziges Wort.
     
    *
     
    Gerade eben hatte die kleine Cathleen noch in ihrem Hochstuhl gesessen, von dem erst kürzlich der Vorderbügel und der Schrittgurt entfernt worden waren. Mit bald zwei Jahren war das Mädchen nun alt genug, dass diese Sitzsicherungen nicht länger erforderlich waren. Betty, die siebzehnjährige Nachbarin von der anderen Straßenseite, war nur rasch in die Küche gegangen, um ihr Wasserglas nachzufüllen. Das hatte keine zwanzig Sekunden lang gedauert. Und nun war das blasse und heute Abend ungewöhnlich unruhige Kleinkind verschwunden. Betty dachte, der Schlag treffe sie, als sie in die kleine Nische des Wohnzimmers zurückkehrte, wo der Esstisch der Walkers stand. Sowohl die beiden Stühle der Eltern Ann und Patrick als auch Cathleens Stuhl waren leer.
    Betty stutzte. »Cathleen?« fragte sie dann mit ängstlicher, dünner Stimme. Rasch stellte sie das Glas ab und sah unter dem Tisch nach.
    Nichts. Bettys Herz begann zu rasen.
    »Cathleen?« Nun lauter. Und ängstlicher.
    Mit einem schnellen Blick suchte Betty den Raum ab. Die offenen Treppen runter zum Keller waren durch ein festsitzendes Treppenschutzgitter gesichert, es war so gut wie nicht möglich, dass die Kleine dieses Hindernis überwunden hatte, erst recht nicht in der kurzen Zeit.
    »Cathleen? Cathleen, Baby, wo steckt du?«
    Bettys Beine zitterten. Sie sah in den Raumecken und hinter den Möbeln nach, doch von Cathleen war keine Spur. Betty wurde schwindelig. Sie eilte aus dem Raum hinaus, in den Flur, in die Küche. Nichts. Auch die schmale Treppe nach oben war durch ein Schutzgitter gesichert. Die Tür in das kleine WC war ebenso geschlossen wie die Haustür. Nein, die Kleine hatte die Etage nicht verlassen, sie konnte sie gar nicht verlassen haben. Also war sie noch hier. Irgendwo.
    »Cathleen! Baby, Schatz - wo steckst du?«
    Keine Antwort. Kein Geräusch. Nichts.
    Betty keuchte. Sie kehrte in das schmalgeschnittene Wohnzimmer zurück, suchte es erneut ab. Immer wieder rief sie den Namen der Kleinen. Vergebens, das Mädchen war wie vom Erdboden verschluckt.
    Betty begann zu schluchzen, während sie noch einmal in der Küche nachsah. Sie kletterte über die Treppenschutzgitter und sah erst unten nach, doch dort war Cathleen nicht und die Tür zum Kellerraum war verriegelt. Betty hastete ins Obergeschoss. Von Cathleen war nichts zu sehen. Die Fenster, durchfuhr es Betty, jemand hat von außen die Fenster geöffnet und die Kleine entführt, während sie nichtsahnend in d er Küche ihr Glas mit frischem Leitungswasser gefüllt hatte - so muss es gewesen sein, etwas anderes war nicht möglich.
    Betty rannte nach unten. Die Wohnzimmerfenster waren geschlossen.
    »Cathleen!«, rief sie und drehte sich einmal suchend um die eigene Achse.
    Nichts.
    »Cathleen!«, brüllte sie. Die steigende Panik ließ sich nicht aufhalten.»Zeig dich, verdammt noch mal, wo bist du?«
    Stille.
    »Caaathleeeeeeeen!« Ein Kreischen.
    Nicht das leiseste Geräusch.
    Betty zitterte am ganzen Körper, der kalte Angstschweiß stand auf ihrer Stirn. Aus aufgerissenen Augen starrte sie gegen die Wand. In ihrem Kopf drehte sich ein Kettenkarussell.
    Cathleen war verschwunden. Die Kleine hatte das Haus nicht verlassen und niemand hatte sie geholt. Sie war noch im Haus und zugleich nicht mehr im Haus - so grotesk das auch erschien.
    Betty begann zu weinen. »Cathleen. Baby, Schatz«, wimmerte sie, »hör auf, mich zu erschrecken. Zeig dich, bitte. Bitte! Es bleibt unter uns, ich schwöre es, niemand erfährt von mir , dass du dich unsichtbar kannst. Ich schwöre, das bleibt unter uns. Aber jetzt hör auf und sei wieder da. Bitte, bitte!«
    Nichts. Cathleen tauchte nicht auf.
    Bettys Beine ließen nach. Sie sackte zu Boden.
    »Gott«, stammelte sie und schlug die Hände vors Gesicht. »Gott, Cathleen ... Baby, bitte ... hör auf, komm her ... - Gott, mach was, bitte mach was! Gott! Mach!«
    Eine Zeit lang hockte Betty wie gelähmt auf dem Fußboden, während in ihrem Kopf

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