Model-Ich (German Edition)
thronte, ein schönes Lächeln zu schenken. Lieber hätte ich ihn gefragt, welchen Sinn diese erniedrigende Vorführung haben sollte. Egal, immer hübsch lächeln, ist gleich vorbei!
Hinterher erfuhr ich, dass er mich interessant für die Show fand, und ich musste noch einmal zur Anprobe. Dort stellte sich schnell heraus, dass meine Schultern für die schmale Silhouette der Hauptlinie von Armani zu breit waren. Damit hatte sich die Show für mich erledigt. Dem Stylisten des Hauses gefiel ich aber trotz meiner »Boxer-Schultern« und in den Jahren darauf modelte ich einige Male für die Marke, darunter auch in einer Kampagne für Armani Exchange .
Es ist bei Castings nicht gängig, sich mit den Models zu unterhalten. Interessant ist nur der Körper, nicht die Person. Ich gewöhnte mich schnell daran, dass nicht mit mir, sondern über mich geredet wurde. Mir wäre es ja peinlich, über jemanden zu sprechen, der direkt vor mir steht. Von Fotoassistenten bis zu den Designern hatte aber sonst niemand ein Problem damit. Mein Hüftumfang, meine Haut, meine Haare wurden diskutiert,
als sei ich gar nicht da. Auch wenn ich die Sprache nicht immer verstand, war deutlich, worum es ging. Ich trainierte mir an, dass es mir gleichgültig war, nicht als Mensch wahrgenommen zu werden. Solange die Buchungen kamen und genug Geld da war, um die Miete zu bezahlen und mir ein paar schöne Sachen zu leisten, konnte ich eine schlechte Behandlung ignorieren. Unerträglich wurde es, wenn ich wochenlang Kunden abgeklappert hatte und am Ende doch keine Arbeit bekam.
Eine Erholung war es dabei immer, zu Castings nach London zu fliegen. Die Jobs waren zwar schlechter bezahlt als in anderen Modemetropolen, dafür wollten die Leute wissen, wie es mir geht, was ich so mache, und freuten sich, mich zu sehen. Wenn ich meinem Ego etwa Gutes tun wollte, musste ich nur einmal nach London.
Ein bekanntes Model kann seine Persönlichkeit in die Arbeit einbringen, am Anfang interessiert es aber kaum jemanden, was man zu sagen hat. Eher wird ein anderes Model genommen, das die Klappe hält und in den Kleidern gut aussieht. Für mich war es erst mal ganz ungewohnt, wenn ich als Eva Padberg gebucht wurde und die Kunden mich nach meiner Meinung fragten. »Eva, wie gefällt dir das Licht?« – »Super – wenn es euch gefällt.« Gedacht habe ich: Warum fragt ihr MICH? Ihr müsst doch wissen was ihr wollt! Inzwischen bin ich selbstbewusst genug, meine eigenen Ideen einzubringen. Lieber ist mir aber doch, der Kunde entscheidet. Es ist nicht mein Job als Model, zu bestimmen, welches Image verkauft werden soll, ich muss es nur darstellen können.
Es gibt immer wieder Models, die von berühmten Designern als ihre Lieblinge der Saison, ihre Musen, auserkoren werden. Meine Pariser Agentur hatte es sich eine Zeit lang in den Kopf gesetzt, dass ich mich an Karl Lagerfeld ranschmeiße. Der Karl mag es doch, wenn die Mädchen deutsch sind, meinten sie. Sprich ihn doch mal an. Obwohl ich einige Male bei Castings für
Chanel war und zweimal eine Show mitgemacht habe, habe ich mich das nie getraut. Lagerfeld segnet zwar alles ab, die Entscheidung über die Models treffen aber die Frauen in seinem Atelier und mir fehlte der Mut, an denen vorbei auf ihn zuzugehen. Was hätte ich denn sagen sollen? Du, Karl, ich bin übrigens auch aus Deutschland? Er ist nicht jemand, bei dem man gut auf Kumpel machen kann. Wenn er einen Raum betritt, vibriert die Luft und die Menschen zittern vor Aufregung. Ehrfurcht macht sich breit und jeder hofft auf das kleinste bisschen Anerkennung von ihm. Nicht gerade die geeignete Atmosphäre für einen netten Small Talk.
Jahre später habe ich doch einmal direkt mit ihm zusammengearbeitet, als er die Werbekampagne für die deutsche Modezeitschrift Amica fotografierte. Da konnte ich ihm erzählen, dass wir dasselbe Heimatland haben, was ihn, wie zu erwarten, nicht sonderlich interessierte. Aber er hat ein schönes Foto von mir in einer lauen Sommernacht in Rom gemacht. Und das ging ganz ohne Casting.
DEUTSCHLAND
»DAS IST DIE DOCH.« – »Wer?« – »Na, DIE eben. Aus der Werbung, du weißt schon.«
Es bereitet einen niemand darauf vor, wie komisch es ist, erkannt zu werden. Auch nicht darauf, dass es vermutlich an so exotischen Orten wie einer Tankstelle an der A3 oder in der Schlange beim Bäcker passieren wird. Ich würde mich am liebsten jedes Mal verstecken, wenn ich diese Unterhaltungen höre. Dabei werde ich nur selten direkt
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